Während der Abwesenheit der besten Ehefrau von allen, schützt Luna zwei auf einem Liegestuhl zurückgelassene Wolldecken vor unbefugter Benutzung. Mit nur leicht geöffneten Augen hat sie dennoch ihre Umgebung im Blick und mich einmal mehr im Visier.
„Was bedeutet „dystopisch“?“, fragt sie mich plötzlich. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie sie auf diese Frage und im besonderen auf den Begriff „dystopisch“ kommt. – Vorsicht! Eine literarische Falle! – Ich bin alarmiert und suche nach einem Weg, um irgendwie eine Antwort auf ihre Frage zu finden.
Nun habe ich nicht unbedingt den engagiertesten Deutschlehrer in dieser literarischen Phase meiner schulischen Ausbildung zur Seite gehabt, aber Romane konnte ich auch ohne Herrn St., heimlich „Gulfi“ genannt, lesen und antworte spontan: „“1984“. George Orwells Roman, der die totalitäre Kontrolle des Staates und die Unterdrückung der individuellen Freiheit durch Big Brother, den Überwachungsstaat, thematisiert, dieser Roman, der nicht wünschenswerte, sehr bedrückende Umstände in der Gegenwart oder Zukunft darstellt, diesen Roman bezeichne ich als dystopisch. Also, nicht den Roman, aber die darin geschilderten „nicht wünschenswerten und sehr bedrückenden Umstände“.“
„Wusstest Du, dass George Orwell eigentlich als Eric Arthur Blair geboren wurde?“, hakt das Frollein nach. „Nein, du Schlaumeier, wusste ich nicht! Und wenn du nicht gleich das Buch herausgibst, das du seit einige Zeit unter den beiden Decken versteckst, dann werde ich dich mal gründlich mit William Golding und seinem Roman „Lord of the Flies“ in die Bredouille bringen!“
„Ach, dieser Roman über eine Gruppe von Schülern, die auf einer einsamen Insel stranden und ihre eigene Gesellschaftsordnung aufbauen.“ – Sie macht mich wahnsinnig!
