Schützenfestliche Flucht – Teil 2

„Das schönste Fest der Welt“. Siegfried Lenz. NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) 1955. – Die erneute schützenfestliche Flucht aus Wiefelstede führt mich (über ein Hörspiel) auf den Landsitz des Marquis de Serpa in Spanien und lässt mich an einem monströsen Kostümfest Adeliger, Snobs und der Creme der Gesellschaft aus aller Welt teilhaben. Aber irgendwie ist es mir an diesem Nachmittag zu außerordentlich „auf der adeligen Farm“ und so brechen das Frollein und ich zu einer Runde durch das Emstal auf. Zielstrebig führt uns Luna an den Dortmund-Ems-Kanal. Hier warten schon ungeduldig einige Enten und Haubentaucher, die mit ihr um die Wette schwimmen wollen. So interpretiert es jedenfalls das Frollein.

Die Brücke am Sielgraben Sustrum II. Ich habe sie lange nicht gezeigt

Die Großwetterlage immer wieder bewertend, habe ich bisher darauf verzichtet, die „schwedischen Gardinen“ (Thule Sun- oder Rain Blocker) zu installieren. Ich entscheide mich für weder noch und wohlüberlegt-zweckdienlich für ein naturtrübes Münchner Hofbräu Sommerzwickel. Eine gute Wahl.

Der Blick in Richtung Steinbild an „der Ecke Ems/Dortmund-Ems-Kanal“

Der freitägliche Wetterbericht nimmt mir schließlich die Entscheidung ab und empfiehlt: Rain Blocker. Kaum hängen diese, da stellt sie der erste Schauer auch schon auf die Probe. Unseren Streifengang am Kanal haben wir längst absolviert und so begutachten das Frollein und ich den ersten Regenschauer sehr entspannt. Und hätte ich heute die rechte Seite der Markise abgesenkt und nicht die linke, dann würde der Regen auch nicht über den Vorzeltteppich in Richtung Wohnwagen fließen. Wir beobachten dieses Rinnsal, stellen fest, dass es uns nicht „mitreißen“ wird und denken: „Pfeif drauf!

„Kanalwasserratte“

Schon während der Fahrt nach Sustrum beschließen das Frollein und ich, dass wir unbedingt noch zu Wohnwagen Schöler nach Papenburg müssen. Wir brauchen noch diese ganz speziellen Heringe für den Vorzeltteppich, die es eben nur dort gibt. Außerdem steht hier das 2020er Modell des Fendt Bianco 515 Activ auf dem Hof. Warum die Mertinger Wohnwagenmanufaktur diesen von Anfang an allerdings als „Activ“ und nicht orthographisch entgegenkommender als „Aktiv“ oder „Active“ auf den Markt bringt, stellt mich vor eine kleinere Denksportaufgabe. Vielleicht fahre ich mal eben vorbei und frage bei den Schwaben nach, denn diese niedliche „Sitzbankverlängerung zum Füßeauflegen“ erschließt sich mir auch nicht so recht. Wobei mir der Heckbadgrundriss im 515er sehr gut gefällt.

Nach dem Schwimmwettbewerb noch ein wenig „freestyle“

Und dann ist sie plötzlich wieder da: Meine Isabella CKS (Campingklappstuhl)-Allergie. Sobald ich die Rückenlehne des Campingstuhls auch nur um wenige Grad aus der Senkrechten bewege, fallen mir die Augen zu. Meistens erwache ich erst wieder, wenn sich meine ebenfalls „eingenickten“ Unterarme kribbelnd melden. Und diese „Benachrichtigung“ kann schon einmal auf sich warten lassen! Es hilft nichts, der Kreislauf muss auf Trab gebracht werden. Und wie geht dies besser als während eines ausgedehnten Spaziergangs?

„Rechts“ war nicht sonderlich begeistert von dem „linken Überholmanöver“. „Der Kampf“ war längst nicht entschieden …

Wir erreichen die Brücke an der Brinkstraße. „Leinen los!“ heißt es für Luna. Und während der von mir geöffnete Karabinerhaken an ihrer Leine noch nicht einmal zurückgeschnellt ist, gibt Luna auch schon alles. Die ersten hundert Meter nehme ich ihre weiße Schwanzspitze nur als durchgezogene weiße Linie wahr. Abrupt hält sie inne, späht in die Uferböschung, setzt zum Sprung an und die anvisierte Maus hat Glück und kann ins Unterholz verschwinden. Haubentaucher & Co drücken sich in den Schilfgürtel, stoppen ihre Atmung und hoffen, dass Luna sie heute nicht zum tierischen Wettkampf auffordern wird. Ein Fasan, der draufgängerisch-vertrauenswürdig unseren Weg kreuzt, bewahrt die Wasservögel vor einem erneuten Wettschwimmen und zieht die ungeteilte Aufmerksamkeit des Frolleins auf sich. Luna startet durch und auch der Fasan nebst Freundes- und Familienkreis hebt ab. Längst ist der Verband in der Luft, aber Luna sucht das Feld vorsichtshalber noch einmal gründlich ab. So gründlich, sie kehrt nicht zurück. – Wehe, wenn sie losgelassen.

Badestelle

Zweimal suche ich die Felder und das Ufer zwischen Ems und Düther Schleuse nach ihr ab. Nichts. Ich rufe nach ihr. Nichts. Irgendwann kommt Plan B zum Einsatz: Fahrrad holen und den Such- ihrem Wirkungsbereich anpassen. 30 Minuten später erreiche ich den Campingplatz und Big B. Und wer kommt mir jetzt schwanzwedelnd, klatschnass, aber bester Stimmung entgegen? – Längst ist es viel zu spät, das Frollein für ihren Ungehorsam „auf die Pfoten zu klopfen“. Sie würde es nicht verstehen. Also betreiben wir harmonisch Körperpflege: Waschen, spülen, frottieren, Fell ausbürsten und zum Abschluss ein Münchner Hofbräu. – Einfach tierisch.

Früh am Morgen

Samstagmorgen. Mit frischen Brötchen in der Tüte und einem strahlenden Lächeln steht die beste aller Ehefrauen auf dem Platz und vor Big B. Rein zufällig ist der Frühstückstisch gedeckt, die Kaffeemaschine ist fertiggeladen und gesichert und wartet auf ihren Einsatz, die Frühstückseier haben ihre Badesachen angelegt und drängen darauf augenblicklich ins noch lauwarme Wasser zu steigen. Wenn das kein „timing“ ist? – Und bald werden wir auch ins rechte Licht gerückt werden, denn die Beste hat drei Kataloge „Leuchten 2019“, „Erlebe Licht“ und „Spannende Impulse“ im Gepäck. Wir werden sie finden, die „Leuchten des Nordens“. Obwohl, so schlecht sind die alten Grubenlampen daheim doch auch noch nicht.

Der QEK Junior ist ein Wohnwagen aus der ehemaligen DDR. Zwei weitere Modelle, der QEK Aero und der QEK 325, gehören zur Familie

„Wenn die bunten Fahnen wehen.“ Durch das Emstal geht eine leichte Brise, die Markise, Rain Blocker und Vorzelte in leichte Schwingungen versetzt. Da wir ohnehin am Sonntag aufbrechen müssen, von Wollen kann hier nicht die Rede sein, beschließen wir, unsere „Zelte abzubrechen“. Das „Gesetz der konstanten Gemeinheit“ macht an diesem späten Nachmittag nicht vor uns Halt und schlägt mit einem kräftigen „Tornado“ gerade in dem Augenblick zu, als die Markise ungesichert auf ihr Einrollen wartet. Das in diesem Augenblick dem Wüten der Natur ausgelieferte Schutzdach bläht sich auf und der „Sturm“ ist bestrebt, es über das Big B.´sche Dach geradewegs auf die andere, die vollkommen falsche Seite des Caravans, zu befördern. Nicht mit uns! In zwei Hechtsprüngen, die die legendären „Flying Dorias“ auch heute vor Neid erblassen ließen, schnellen die Beste von allen und ich zu den Beinen der Omnistor 5200, bekommen diese zu packen, werden minutenlang durch die Luft gewirbelt, kämpfen gegen die Dämonen der Windhose, gewinnen mit vereinten Kräften die Oberhand und alles ist unter Kontrolle. – So oder so täuschend ähnlich mag es sich in etwa zugetragen haben.

Dortmund-Ems-Kanal

An zwei Wochenenden sind wir „untreu“ vor der fünften Jahreszeit in Wiefelstede geflüchtet. Gut, Sonntag- und Montagabend (Wahl der Schützenliesel) werden wir vom Geräuschpegel her verkraften. Irgendwie. Und dann schlägt es noch einmal zu: Das Gesetz der konstanten Gemeinheit. Als wir mit Big B. ins beschauliche Wiefelstede rollen, marschiert der Festumzug der Wiefelsteder Schützen gemeinsam mit den befreundeten Schützenvereinen und verschiedenen Spielmannszügen durch den Ort in Richtung Schützenplatz. Und wir dürfen erst warten und dann dieser Ammerländer Attraktion folgen. – Na, wenn das keine Begrüßung ist! Oder doch der ausgleichende Gegenschlag für unsere abtrünnige Flucht?

Es gibt sie noch: Nutria im Dortmund-Ems-Kanal

Zur Erinnerung an einen sehr geschätzten Emstal Camper:

Dieter W. (25.03.1959 – 08.08.2019)