Premiere für den Neuen (Fortsetzung)

Donnerstag, 16.00 Uhr. So, wieder zurück im Emstal. – Ich habe ab Sonntag zwangsweise pausiert. Also, nicht pausiert, sondern gearbeitet, aber das „Zelten“ ausgesetzt. Nach dem heutigen Minijob geht es sofort wieder zurück an die Ems. Begleitet vom schönsten Wetter und dem Frollein aus dem Münsterland, die „Allerbeste“ muss arbeiten, erreichen wir Sustrum. Schnell ist der zurückgelassene Big B. wieder hergerichtet und einem ersten Kontrollgang durch das „Zweistromland“ steht nichts im Wege.

Entlang der Ems

„Hui“. Es ist ein wenig „schattiger“ in dieser Nacht. Die vorprogrammierte Heizung springt häufiger an als gewohnt und die dünne Decke wärmt nicht ausreichend. Ich muss die Notfall-Wolldecke aktivieren. Und weil ich einmal wach bin, ist auch der Blick gen Sternenhimmel verpflichtend. – Donnerwetter! Ein Schauspiel ohne Gleichen. Und ich habe wieder einmal das Stativ vergessen. Wird also auch jetzt nichts mit dem Foto vom Sternenzelt.

Ich blättere in der monatlich erscheinenden Zeitschrift eines deutschen Automobilclubs. Ja, der mit den vier großen Buchstaben. Auf Seite 68 der Ausgabe 9/2018 finden sich vier Lesermeinungen zum Thema „Deutschland geht Campen“. Ich fasse diese amüsiert zusammen:

😯 Die zunehmende Zahl von Camping Neulingen schränkt die Individualität des Campens stark ein.
😯 Wer in zimmergroßen Containern inkl. eines mitgeführten halben Hausstandes reist, kauft bei Lidl und Aldi ein.
😯 In Caravans, Campern und Wohnmobilen knallen Schubladen und es plärrt der Fernseher.
😯 Caravan & Co verschärfen das Parkplatzproblem in Ballungsräumen.
😯 Sie trüben den schönen Eindruck einer ganzen Landschaft, und nun kommt es ganz dicke:
😯 Oft ergibt sich ein recht asoziales Bild ihres gesamten Umfeldes.

Ich weiß nicht, wo diese LeserInnen ihre Erfahrungen sammelten oder unter welchem Einfluss beseligender Mittel sie ihre Lesermeinungen verfassten. Ich bin geneigt zu glauben, dass ihre Sichtweise nicht auf Objektivität und Erfahrung basiert, sondern hier meines Erachtens bedenklich entrückte Eingebungen im Spiel sein könnten. – Doch: In unserer Republik herrscht erfreulicherweise Meinungsfreiheit und „Die Gedanken sind frei!“ – Frei wie die Camper!

Im ersten Licht am Dortmund-Ems-Kanal

Inzwischen haben das Frollein und ich mehrere ausgedehnte Patrouillen entlang der Ems absolviert. Die Nutrias haben weiterhin ihr Fleckchen Ems besetzt. Sie sind also der auf sie freigegeben Bejagung nicht zum Opfer gefallen. Die Eisvögel am Sielgraben und die Rallen sind ebenfalls putzmunter, aber die beiden Biber, die ich nur auf Fotos zu Gesicht bekam, gibt es nicht mehr. Sie sind im Sommer ums Leben gekommen. Das ist schade. Nun werde ich wohl auch nicht mehr auf typische Biberspuren treffen. Es sei denn, …

Sielgraben Sustrum II

Der Bestand an Enten und Gänsen scheint mir unverändert, obwohl Luna der Meinung ist, es könnten ruhig mehr sein. Ihre gestrige Bestandsaufnahme, die sie mehr schwimmend als laufend erhob, verlief jedenfalls vielversprechend und ist unter allen Umständen zu wiederholen, wie sie mir zu verstehen gab. Also werden wir uns bald wieder auf den Weg machen.

An der Badestelle. CP Emstal

Ich bin auf dem Weg zum NP-Markt meines Vertrauens in Walchum. Noch in der geschlossenen Ortschaft Sustrum werde ich von einem „Sprinter“ überholt. Wohlgemerkt ich fahre großzügige 50 Km/h, ich parke nicht. 100 m hinter dem Ortausgang bremst dieser ganz besondere Mittelsmann einer ganz besonderen Gilde hastig und biegt ab. Sicherlich in der Gewissheit, dass sein dynamisches Verhalten vollkommen in Ordnung geht. Soll ich mich aufregen? Nein, denn auf meinem späteren Weg nach Lingen erlebe ich auf der B70 drei weitere ungeniert-ahnungslose Draufgänger in gleicher Manier. Ich will mich nicht aufregen, aber davon berichten muss ich.

Ganz früh bei ganz wenig Licht mit dem Teleobjektiv „auf Anschlag“ erwischt: eine Biberratte (Nutria)

Luna ist gnädig. Unser Ausflug nach Lingen und der dortige ausgedehnte Spaziergang durch den Wald lassen sie heute morgen ein wenig länger ruhen. Ein wenig. Um 07.00 Uhr ist es dann vorbei mit Müßiggang und Ruhe. Das Emstal ruft. Nicht unbedingt mich, aber das Frollein hat einen Routinedienstplan, der für heute den Vollzähligkeitsappell der Uferbevölkerung an Ems und Dortmund-Ems-Kanal vorsieht. Also: „Auf, auf zum fröhlichen Zählen.“

Die Brücke am „Durchstich“

Wir verlassen „unseren“ Platz am „Durchstich“ und pirschen unter der Brücke an der Brinkstraße in Richtung Kanal. Den Petrijünger, der bis zu den Schultern im Schilf der Ems steht, hat Luna längst entdeckt. Er uns jetzt und auch später nicht. Gebannt beobachtet er die Pose seiner Angel, die gleichmäßig im viel zu niedrigen Wasser der Ems schwebt.

Medusa. – Eine der drei Gorgonen aus der griechischen Mythologie unterwegs auf dem Dortmund-Ems-Kanal?

Am gegenüberliegenden Ufer haben sich zwei weitere Angler eingerichtet und hoffen auf den Fang des Lebens. Die „Medusa“, schwer beladen mit Containern, bahnt sich ihren Weg durch den Kanal und wird sicherlich gleich einen der Angler dazu veranlassen, seine Angel, die er zuvor mit kräftigem Wurf bis zur Mitte der Fahrrinne auslegte, einzuholen. Nicht, dass sich die Schnur in der Schraube der Medusa verfängt und sie zum Stillstand bringt.

Das „Einwohnermeldeamt“ ist geöffnet

Wir haben Lunas „Einwohnermeldeamt“ am Kanal erreicht. „Leine los!“ Der Karabinerhaken ist noch nicht einmal wieder geschlossen, mein Kommando noch nicht ganz über die Lippen, da ist sie auch schon in der Uferböschung verschwunden. Ich lege auch heute Wert auf die Feststellung, dass Luna nicht jagt oder gar wildert, sie zählt und stellt die befugte Anwesenheit der Enten, Gänse und Taucher fest.

Für die beiden ersten statistischen Erhebungen genügt ihr das Waten in der Uferzone. Später zieht es sie in den Kanal. Vom Weg geht es durch die Böschung an die Uferkante. Ein Sprung ins Wasser, zurück ans Ufer, Kontrolle des Schilfgürtels, erneut ein Sprung ins Wasser, dann sichernd zurück auf den Weg. „Ja, ich bin noch da.“ Und schon beginnt der Kreislauf erneut. Es könnte stundenlang so weitergehen. Ab und zu werfe ich eine Eichel oder Kastanie ins Wasser, um die ohnehin prickelnde Spannung noch ein wenig zu erhöhen. Luna ist in ihrem Element, klatschnass und zufrieden mit dem Ergebnis ihrer heutigen Zählung. Und hätte sie nicht den Weg durch den aufgeweichten Kartoffelacker gewählt, ich hätte bestimmt 30 Minuten früher frühstücken können. Wie ruhig könnte solch ein Morgenspaziergang sein. – Und wie langweilig!

Volkszählung an der Ems. Zwar nicht gesetzlich angeordnet, aber aus Lunas Sicht erforderlich

An diesem Morgen geht alles etwas langsamer, etwas sehr viel langsamer voran. Luna liegt träumend unter dem Tisch und geht in Gedanken sicherlich noch einmal die Emstaler Populationsdichte zu Wasser und in der Luft durch. Ich komme viel später vom Duschen zurück und werde nicht, wie üblich vom Frollein überrannt, sondern nur stürmisch begrüßt. Was ist geschehen? Sollte ich sie tatsächlich geschafft haben? Sind unserer stundenlangen und kilometerweiten Spaziergänge doch nicht ermüdungsfrei an ihr vorübergezogen? Und dann bemerke ich es: Das Wetter ist heute nicht so besonders und lädt uns, statt unermüdlich durch Feld, Wald und Flur zu streifen, einmal zum Faulenzen ein. Dem werden wir nicht widersprechen. Wohlfühlsocken an, Buch raus, Radio aus. Pause! – Heute wird auch nicht bei Aldi oder Lidl eingekauft oder gar ein Parkplatz in einem Ballungszentrum besetzt.

CP Emstal

Der dritte Tag im Emstal. Zeit für den ersten Abwasch. Allerhand, was sich da angesammelt hat: ein Frühstücksbrett, ein Teller, zwei Messer, zwei Gabeln, ein Becher, ein Topf inkl. Deckel, kein Glas, denn ich trinke gern in Abwesenheit der Allerbesten aus der Flasche. [„Das macht Mann nicht!“ – „Ja, ich weiß …“] Mit letzter Kraft schleppe ich meinen Abwasch zur Spüle. Außer Atem schäume, wasche, spüle und trockne ich. Nein, niemand erbarmt sich. Allein zerre ich den gewichtigen Korb über den Platz. Der Gegenschlag für meinen Müßiggang.

Im Gegenlicht

„Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?“ – Wir machen uns reisefertig und verlassen das Emstal. Vorerst. Denn: „Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!“