Nord-Süd-Passage

In einem neuen Anlauf, unser erster Versuch in 2016 scheiterte wetterbedingt, brechen wir zu Nordbayerns höchstgelegenem Campingplatz (800 m ü. M.) ins Fichtelgebirge auf. Während dieser Reise mit dem Fluchtfahrzeug ist es bereits unsere zweite Station auf dem Weg nach „Minga“ (München). Und da der Weg das Ziel ist, fahren wir über Wernigerode und „dem höchsten Campingplatz Nordbayerns“ nach München-Obermenzing. – Ich weiß nicht, warum das Internet aus diesem Münchner Stadtteil immer wieder gern Pasing macht, aber das soll mir nun auch Weißwurst sein.

„Alte Waldmühle“, Wernigerode. Wenn man ganz genau lauscht, dann hört man den Zillierbach plätschern …

So ungefähr auf halbem Weg zwischen Bad Harzburg und Quedlinburg erreichen wir über die Bundesstraße 6 Wernigerode. Den Brocken in Sichtweite umfahrend, stellen wir fest, dass es ein schöner Happen sein kann, den Oberharz mit dem Wohnwagen zu durchfahren.

Eine kostenintensive Übernachtung plus Kurtaxe vor der verschlossenen Tür des Restaurants „Alte Waldmühle“

Nach guten vier Stunden stehen wir an der „Alten Waldmühle“ in Wernigerode. Noch sind wir die ersten und einzigen. Der Platz gehört uns. Fast. In unserer ersten Euphorie, einem sehr trügerischen Wohlbefinden, vernachlässigen wir tatsächlich die Gegenwart eines Rasentraktors und eines Schredders. Kaum dass wir uns eingerichtet haben, beginnen beide Großgeräte des gärtnerischen Grundbedarfs damit, sich ihres Aufgabenbereichs ebenso dienstbeflissen wie lärmend zu widmen. Trotz angesagter Regenschauer wollen wir nun doch umgehend die Altstadt Wernigerodes besuchen. Hauptsache weg.

Auch im Rathaus Wernigerode war man „ratlos“ hinschtlich der „geschlossenen Gesellschaft“ am Zillierbach

Über einen kleinen Steg queren wir den Zillierbach und erreichen die Altstadt auf einem leicht zu bewältigenden Wanderweg. Blühende Bärlauchpflanzen entlang des Weges verströmen einen Duft, der uns vor jedem potentiellen Vampirangriff schützen wird.
In Wernigerode kehren wir später in ein Brauhaus ein. Frisch vom Fass schmeckt das, mich auf meinen Big B. Ausflügen oft begleitende, Harzer Pilsener sicherlich besonders gut. – Nein, schmeckt es nicht. Nicht nur an der deutschen Fachwerkstraße ist es heute sehr warm.

Verräterische Neugier

Die bereits angekündigten Regenschauer häufen sich in dunkler Wolkenformation am Himmel auf. Wir starten in Richtung Waldmühle. Unterwegs sichten wir eine Hirschkuh, die sich zwar vor uns verstecken möchte, aber dann doch zu neugierig ist und aus ihrem Versteck einen sie entlarvenden Blick riskiert. Luna ist begeistert und zum Glück an der Leine.

Wenigstens die Touristik Wernigerode hat einen Plan …

Der Platz an der alten Waldmühle hat weitere Gäste zu verzeichnen. Fünf britische Camper (zehn Personen), sehr freundlich und möglicherweise auf der Flucht vor dem Brexit, sind eingetroffen. Rechtzeitig schließt das Lokal „Alte Waldmühle“ unangekündigt seine Küche und dann auch die Pforten. Die auf der vielversprechenden Speisenkarte angekündigten Gaumenfreuden des Restaurants werden uns ein Geheimnis bleiben. – Das haben wir gern: im Internet mit dem Menü locken und sich dann verweigern. Kundenorientierung sieht anders aus.

Auf dem Weg ins Fichtelgebirge

Am darauffolgenden Morgen packen wir unsere Siebensachen und brechen in Richtung Fichtelgebirge auf. Baustellen sorgen dafür, dass wir nicht zu flott vorankommen und so erreichen wir den Campingplatz am Fichtelsee mit zweistündiger Verlängerung des Reisevergnügens pünktlich zum Ende der örtlichen Mittagspause. Schneller als die uns hier schreckenden Regenwolken schaffen wir es, Big B. in Stellung zu bringen. Und als der Regen auf die Fendtsche Wohnanlage prasselt, haben wir bereits Kaffee getrunken, unseren Einkauf beendet, uns auf dem Rückweg vom Discounter verfahren, einen Waldspaziergang mit dem Frollein unternommen und sitzen schon lange vor einem Münchner Bier. Soll er doch seine himmlischen Kanäle rücksichtslos öffnen, der nordbayrische Himmel.

Raindrops keep falling on my Fendt

Am nächsten Morgen brechen wir in Richtung Obermenzing auf. Diese Fahrt wird mich an den von mir zu sehr verdrängten Spruch: „Augen auf im Straßenverkehr!“ erinnern. Mensch und Tier brauchen eine Pause. Irgendwo bei Münchberg an der A9, wer will sich heute noch an den Ort dieses Vorfalls erinnern, erwischt mich der Caravaner-Gau: die Zufahrt zur Rastanlage trennt Pkw und Lkw voneinander und unterscheidet dabei auch zwischen Pkw inkl. Anhänger und den „normalen“ Reisenden. Längst ein Langnese Magnum Mandel vor Augen ignoriere ich diesen wertvollen Hinweis und finde mich in einem Nadelöhr von „Durchlass“ wieder. Links und rechts füllen Pkw die Parktaschen bis auf den letzten Platz.

Die Rezeption am Fichtelsee

„Bitte alles aussteigen, dieser Zug endet hier!“ Sackgasse. Die winzige nach recht abbiegende Stichstraße, ebenfalls ein „dead end“, verweigert uns, „kleinlich“ wie sie ist, ebenfalls die Zufahrt. Zeit für ein Wendemanöver. Wie? Die Außenspiegel berühren links und rechts fast die parkenden Autos. Verzweifelt unternehme ich den hoffnungs- und ebenso sinnlosen Versuch, das Gespann rückwärts aus dieser misslichen Lage zu bugsieren.

„No way, Jose!“ Inzwischen will mich, unter den interessierten Blicken hunderter eisschleckender, kaffeetrinkender und sicherlich nicht böswilliger, aber ein wenig schadenfrohen Augenzeugen, ein besorgter Herr in eine Parklücke von der Größe eines (Kindersandalen-)Schuhkartons einweisen. Ich lehne sein Angebot und auch das der fünf kräftigen Männer, Big B. zurückzuschieben, dankbar ab. Viel zu kräftig die Herren, viel zu unübersichtlich die Situation. „Truma Mover, hilf!“

Also, abkuppeln, die beste aller Ehefrauen zwängt den Antara zur Seite, der Trumatisator wird aktiviert und im gefühlten Kriechgang einer bergsteigenden Ringelschnecke wird die 180° Wende eingeleitet.

„Vorwärts! Wir müssen zurück! Alles hört auf mein Kommando!“

Schaulustige bleiben stehen, ein Herr fragt mich nach der Funktionalität des Movers und erwartet eine eingehende Einweisung in das Blockschaltbild und das Zusammenwirken der Baugruppen bei diesem Einsatz unter erschwerten Bedingungen. Ein wenig „abgehetzt“, vertröste ich ihn auf später. Vielleicht in sechs Wochen?

Wir haben es fast geschafft. Die Menge ist begeistert. Ich bin zufrieden. Nur nicht ein gewisser „Karl Napf“ in seinem 3er Cabrio. Wie eine angreifende Raubkatze lässt er sein PS blähendes Gefährt nach jedem Meter, den sich der Caravan bewegt, vorschnellen. Es folgt eine jähe Vollbremsung und das Kinderspiel wiederholt sich. Seine mit hochrotem Kopf auf dem Beifahrersitz eingesperrte Beifahrerin ist davon nicht halb so begeistert wie die Schaulustigen in unserer hohlen Gasse. Die Cafes entlang der Stichstraße verzeichnen eine Umsatzverdoppelung in den vergangenen 10 Minuten, die Gäste sind zufrieden und Karl Napf macht sich reifenquietschend davon. Vielleicht hat der von ihm geschnittene Bordstein ein kleines Souvenir an „die Wende“ und Karls tolldreisten Start in der linken Felge des „3er´s“ hinterlassen. – Tja, mein Bester: „Augen auf im Straßenverkehr!“ Ach so, ich habe seit diesem „Winkelzug“ noch kein Magnum Mandel gegessen.

Frühmorgens am Fichtelsee

Wieder einmal „zelten“ wir hier in Obermenzing an der Lochhausener Straße. Nicht schön, schon gar nicht luxuriös, aber zweckdienlich. Am Abend sitzen wir im „Grünen Baum“ in der Verdistraße und feiern bei „inhaltsreichen“ bayrischen Speisen, frisch gezapftem Augustiner und in bester Laune meinen Geburtstag nach.

Der CP Rhönperle in Motten/Kothen

Einen Tag später erwartet uns die „Rhönperle“ in Motten/Kothen. Nicht nur wir wählen die AS Bad Brückenau an der A7. Auch einige Motorradfahrerinnen und -fahrer schließen sich uns an. Und ehe wir auch nur das Wort Rhönperle aussprechen können sind sie an uns vorbei und toben sich in den Kehren und Kurven der Rhön aus. Als wir die ersten von ihnen vor dem Ort Motten einholen, haben diese bereits alle Videos ihrer rasant-riskanten Kurvenfahrten im Kasten. Und mit etwas Glück, so bleibt es zu hoffen, können sie diese auch am Abend gesund und wohlbehalten daheim anschauen. Andernfalls besitzen zumindest ihre Angehörigen ein Andenken.

Sauer waren wir bereits (kurz) in Wernigerode. In Motten fanden wir den passenden Brunnen

Der unmittelbar an die Rhönperle angrenzende Gasthof soll am Abend unser Ziel sein. Waren uns in Wernigerode die Pforten zu den lokalen Gaumenfreuden verschlossen, so ist es heute die Tür „Zum Schmelzhof 36“, die unserem „Frollein“ nicht offensteht. Gut, dann setzen wir uns mit unserer animalischen Begleiterin eben in den Biergarten. Der „Charme“ eines Wartesaals der 3. Klasse aus längst vergangener Reichsbahnzeit veranlasst uns dann doch, den zur Bordausstattung zählenden Grill anzuwerfen und die gebunkerte Bratwurst schmeckt in Begleitung des treuen „Frolleins“ dann besonders gut.

Die „saure“ Quelle

Vom Badeteich in Motten ziehen wir weiter an den Brillteich in Seesen. Dieser Campingplatz wird von einem Verein betrieben. Die Schranke ist geöffnet, ein Schild fordert uns auf, einen freien Platz zu suchen und uns dann ab 16.00 Uhr in der Rezeption anzumelden. Klare Worte. Auf dem sauberen und genügsamen Platz werden wir von einem rufenden Kuckuck empfangen. Ruhe und Beschaulichkeit. Ruckzuck sind die Isabellas aufgestellt, die Rückenlehnen in Entspannungsposition gebracht und mein Ausatmen nach einem tiefen Atemzug nehme ich nur noch entfernt wahr.

Landschaftsschutzgebiet bei Seesen/Harz

Sie ist nicht ohne, unsere Nord-Süd-Passage, nicht ohne Spuren an mir vorübergezogen. Unsere Etappen und -ziele haben wir geplant. Nicht zu lang und zu anstrengend sollten sie sein. Doch dann ist hier und da eine Baustelle, die nicht enden will, Fahrbahnen „verjüngen“ sich von drei auf zwei und schließlich auf eine Spur und wenn es dann in einem zweispurigen Baustellenbereich zu einem Auffahrunfall kommt, „stellen sich alle hinten an“ und warten. Warum nehmen wir das auf uns? Weil wir Erfahrungen und Eindrücke sammeln wollen. Und unsere erste Erkenntnis ist die, dass wir während unserer kommenden „Fahrten mit dem Fluchtfahrzeug“ unsere „Fluchtpunkte“ nicht mehr täglich wechseln werden.

Diese schwarze Katze erinnerte mich sofort an Karl Napf

Für die Statistik: wir haben in der Zeit von Donnerstag bis Dienstag mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 75 Km/h exakt 1748,7 Km zurückgelegt. Dabei liefen 249,3 l Diesel durch den Antara, was einem durchschnittlichen Verbrauch von 14,3 l/100 Km entspricht. Mit unserem Adam wären wir diese Strecke problemlos zweimal gefahren, aber dann ohne Big B. am Haken. Und auf den „Kleinen“ wollen wir nicht verzichten. – „14,3 l/100 Km!“ Ja, so ist es. Wir sind „quer durch die Republik“ gefahren. Da ging es bergauf und -ab. Allein die Fahrt „über die Kasseler Berge“ verläuft ein wenig steiler und drehmomentfordernder als auf die Rampe zum Autozug in Niebüll. – Ehrlich!

Auch dieser Reise fehlte es niemals an Würze

2 Kommentare

  1. Na, wenn das so ist: Herzlichen Glückwunsch nachträglich!

    Beste Grüße
    Jens

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