Nadel ist nicht gleich Nadel

„Hast Du gesehen, der Mann war tätowiert wie eine Litfaßsäule?“ „Litfaßsäule? Wie kommst Du denn auf diese Bezeichnung?“ Ich bin mehr als erstaunt, da Luna diesen Begriff, der schon längst nicht mehr allen, nicht nur Kleinen Münsterländern, geläufig ist, wie selbstverständlich gebraucht. Wer kennt denn heute noch die einst an fast jeder Straßenecke aufgestellten „dicken Säulen“, die mit bunten Plakaten im wahrsten Sinne des Wortes vollgekleistert waren? Doch das soll ja heute nicht unser tatsächliches Thema sein, wenn ich sie richtig verstanden habe.

Im elften Band der siebenten Auflage „Meyers Lexikon“ (1929) fand ich Interessantes über das „Tatauieren“

„Vor vielen hundert Jahren, ich war damals noch sehr jung, liebe Luna, war es nahezu verpönt, sich Tinte unter die Haut zu jagen. Und heute empfinden es viele Menschen als ganz besonders anziehend, ihren Körper derart zu modifizieren.“ „Ja, aber ist dies nicht auch nur eine Modeerscheinung? Was machen diese Menschen, wenn ihnen das einst so aufregend erschienene Motiv plötzlich nicht mehr gefällt? Oder auf Grund einer unabwendbaren Alterung von Haut und Gewebe aus dem einst knallig roten, mit einem Dolch durchstochenen Herz „Loyalty Is No Feeling“ nur noch ein „Tennisball mit Griff“ und dem Text „oya o ling!“ zu erkennen ist?“ „Sie tragen es mit Haltung und Gelassenheit oder sie lassen ihre Tattoos per Laser entfernen. Besonders, wenn sie feststellen, dass das Stechen einer sog. „Knastträne“ nicht unbedingt die beste Idee war.“

In Spalte 1329 (Meyers Lexikon) steht zu lesen: “ … findet sich auch in Europa unter Matrosen, Soldaten, Handwerkern, Dirnen, neuerdings als Modetorheit bei Damen. …“

„Oder diese drei Punkte auf dem Handrücken in Höhe von Daumen und Zeigefinger! Aber ist es denn nicht ungesund, sich Farbe unter die Haut „stechen“ zu lassen?“ „Ich weiß es nicht. Sicherlich gibt es dazu bereits Untersuchungen, aber als nicht Betroffener habe ich mich damit nicht beschäftigt.“ „Du bist also nicht tätowiert?“ „Richtig. Ich habe solch ein „dickes Fell“, da verbiegt sich jede Nadel.“ „Aber Du gehst doch regelmäßig zur Akupunktur?“ „Das, liebe Luna, ist etwas ganz anderes!“ – Ich weiß nicht, woher sie „das“ hat.

Der komplette Eintrag „bei Meyer“. – Bei allen Fotos handelt es sich um „scans“ aus „Meyers Lexikon“ 7. Auflage, Band 11, Bibliographisches Institut, Leipzig, 1929.