Im Priel vor Butjadingen

Es ist Sonntag, es ist sehr früh. Wir tragen Gummistiefel. Wir stellen unser Auto ab, suchen unsere Siebensachen zusammen und stiefeln, nachdem wir einen ersten Zaun erfolgreich mit Sack und Pack überwunden haben, über die Deichschulter in Richtung „Gipfel“. An dieser Stelle brechen sie durch, meine oberbayrischen Wurzeln. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst und berichtige mich dahingehend, den „Gipfel“ gegen eine niedersächsische Deichkrone einzutauschen.

Von der Deichkrone blicken wir ins Deichvorland. Wir wagen den Abstieg über die Berme und den Deichfuß, erreichen die Salzwiesen, entledigen uns der angelegten Kletterausrüstung und an dieser Stelle soll „Schluss mit Lustig“ sein und unsere Verantwortung gegenüber dem Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ als besonders geschütztes Biotop mit vielen seltenen oder bedrohten Pflanzenarten einsetzen.

Hightech an Bord der Möwe

Längst haben wir die „Möwe“ entdeckt. Sie ist kein Ruderboot, aber auch kein Kajütboot. Sie ist ein motorbetriebenes Fischerboot. Weiß-blau liegt sie in der Nähe einer Buhne in einem Priel. Im Windschatten der Buhne wartet „Möwi“ auf uns. Besser, auf einen von uns. Denn „Möwi“ ist ein Miniruderboot, ein „maritimes Bobby Car“. Nur einen von uns wird „Möwi“ aufnehmen können. Wen? Natürlich unseren Skipper. Nur er ist „nivelliert“ genug, unseren „Sea Shuttle“ sicher zur „Möwe“ zu führen. – Nebenbei erwähnt: Es ist ein Bild für die Götter, diesen ausgewachsenen Seebären in der Nussschale, in der er kaum mit ausgestreckten Beinen sitzen kann, zu verfolgen.

Wie gewohnt klappt alles wie am Schnürchen: Der Skipper erreicht die Möwe, steigt um. Möwi und Möwe tauschen den Liegeplatz. Wenig später steuert er die Möwe zur Buhne. Nur er kennt die Untiefen vor der Schlenge, nur er weiß, wie die Möwe „reibungslos“ und frei und bei jeder Strömung zur Buhne gelangt.

Sein Gespür hat ihn nicht getäuscht: Der erste Hol

Wir steigen ein, lassen das Ufer hinter uns und bereiten unseren „Fischzug“ vor. Die Instrumente, das große Sieb, der Kocher und die Eimer sind einsatzbereit. Ich greife nach der umfunktionierten Pril-Geschirrspülmittelflasche und lenze die Möwe: Ich entferne das (Regen-)Wasser aus dem „Granatjäger“.

Ja, wir wollen Granat, Nordseegarnelen, Krabben, also keine Krebse fangen. Längst liegt das Netz im Wasser und wir fischen an unserer „geheimen“ Stelle im Priel vor …, ha, beinahe hätte ich es verraten. [Ich weiß, unsere Koordinaten sind auf dem Simrad-Foto zu sehen.]

Gesiebt, sortiert, gereinigt. Fertig für den Kochtopf

Im Schlick links und rechts neben „unserem“ Priel sehen wir die Schleppspuren der großen Krabbenkutter, die hier vor uns ihr Glück versuchten. Sie sind größer und stärker als wir, aber nicht so wendig wie, weil viel tiefgängiger als wir. – Wir kommen in Winkel, da träumen die nur von!

Wenn sie so aussehen, dann dauert´s nicht mehr lang

Die Zeit ist um. Die Erfahrung und das „Gespür“ des Skippers sagen zum ersten Mal: „Netz einholen!“ Es läuft gut, nach wenigen „Hol“ sind wir mehr als zufrieden. Vom Beifang befreit, sortiert, gesiebt, gekocht liegen die Krabben auf den außenbords angebrachten Lochblechen und kühlen ab. Und gerade jetzt schmecken sie, noch warm, am allerbesten.

Immer noch ein wenig „Grünzeugs“ und Rollholz im Fang

Inzwischen fischen wir auf der Höhe eines Nordsee Urlaubsparadieses. Dabei haben wir die beiden künstlich angelegten Watt-Inseln Langlütjen I und Langlütjen II in der Wesermündung nicht aus den Augen verloren. Das Wasser ist weiter gesunken und es wird Zeit, in den „Heimathafen“ zurückzukehren. Es sei denn, wir lassen uns „trockenfallen“ und genießen die Stille des Wattenmeeres bei einem friesisch-herben Erfrischungsgetränk. Doch dafür, für das „trocken-fallen-lassen“, bleibt uns an diesem Tag keine Zeit: Wir können es nämlich nicht erwarten, unseren Fang zu pulen und mit Salz und Pfeffer gewürzt auf einem leckeren Schwarzbrot üppig(st) verteilt, zu genießen.

Qualitätskontrolle. Mein Ding

„Letzte Worte“: Die Fotos entstanden im Juni 2003. Sie wurden mit dem „Ur-Großvater“ (Sony Cybershot P 98) unserer heutigen DSLR-Kameras gemacht und dürfen deshalb ruhig ein wenig „rauschen“. – Meeresrauschen eben.