Caravaning am Deich. Uns zieht es ins Weltnaturerbe Wattenmeer und wir den Big Bianco ins Ostfriesische. Wir verlassen die A31 bei Emden und fahren über Rysum und Loquard in Richtung Nordsee. Eingeweihten fallen dabei sofort die Namen Hamswehrum, Manslagt, Visquard und Woquard ein. Nein, dies sind keine Zutaten für eine regionale hochprozentige Spezialität, es handelt sich um Ortsnamen in der Gemeinde Krummhörn. Alle bekannt als Warfendörfer mit meist historischer Kirche oder geschichtlich interessantem Ortskern. (Ja, es heißt auch „Warftendorf“. Die Warft oder die Wurt sind künstlich angelegte Siedlungshügel, um einen darauf erbauten Ort und hier ganz besonders die Kirchen vor dem „blanken Hans“, die tobende Nordsee bei Sturmfluten, zu schützen.)

Der Wind beschert uns reich und heftig die salzig-frische Nordseeluft und Luna findet sofort Gefallen an den zahlreichen Wildkaninchen, die sich hier mit Ringeltaube und Austernfischer verabredet haben. Luna zittert vor Freude. Die Kolonie der Wildkaninchen ebenfalls. Allerdings wohl nicht aus ein und demselben Anlass. Irgendwann nutzt Luna „die Lücke“ und versucht mit zwei, drei, vier dieser Fellknäuel ihre Leidenschaft für ein spontanes „Fang-mich-Spiel“ zu teilen. Auch wenn einige Dauercamper geneigt sind, dies als eine speziell-einseitige Freude zu bewerten.


„Was soll das? Die sind doch so niedlich!“ Ja, das sind sie. Lunas Verhalten ist doch der „jagdlich-temperamentvolle Beweis“ dafür. Ich heuchle Betroffenheit, verberge mein Jagdhorn unter der Jacke und kann mich vor Stolz über unsere wendige und flinke Kleine Münsterländerin kaum zügeln. Zögere ich deshalb mit dem Rückruf des Frolleins? Natürlich … „Ja!“ Lunas hervorragende soziale Bindung rettet die kleinen Hopser vor dem „finalen“ Jagdsignal. – Was tut man nicht alles für Frieden und Zufriedenheit in dieser Welt, für den kleinen Weltfrieden hinter´m Deich?

Ruhe, Natur und Erholung im UNESCO-Weltnaturerbe. Wir kennen diese Natur. Schließlich lebten wir jahrzehntelang an der Wesermündung. Heute „zelten“ wir mit der Kurkarte im Gepäck an der niedersächsischen Nordseeküste und blicken auf schnurgerade verlaufende und kilometerlange Deiche und Deichsicherungswege, die es uns ermöglichen, die Besucher, die in drei Tagen eintreffen werden, bereits heute zu erkennen.


Camping am Deich. Ein sehr gepflegter, maritim gestalteter Platz mit erstklassigen sanitären Anlagen, einem Minimarkt und einem kleinen Restaurant. Sauna und Sanarium (für Gäste, die es nicht so „heiß“ mögen), die Ladestationen für Kraft und Wohlbefinden fehlen hier ebenso wenig wie das Angebot an Klangreisen und -massagen. Wenn man denn klangvoll massiert verreisen möchte.

Aus pessimistischer Sicht betrachtet ist das Wetter nicht so berauschend: eine geschlossene Wolkendecke lässt die Sonne nur hin und wieder auf Krummhörn blinzeln und ein kühler Wind „zupft“ beständig an der sturmgesicherten Markise. „Was soll´s? Es regnet nicht, es ist hell, wir leiden nicht unter der Hitze und der Wind trägt uns die frische Nordseeluft in Hülle und Fülle zu!“, stellt die beste aller Ehefrauen optimistisch fest. Und als es gegen 15.00 Uhr „wie aus Eimern regnet“, handelt es sich hier lediglich um eine Auffrischung der salzig-kühl vom Deich her wehenden Nordseebrise. Ich frische lieber meine Geschmacksknospen mit friesisch-herbem Jever Pilsener auf. Gern auch aus Eimern.

Die Reihenfolge der vier meteorologischen und astronomischen Jahreszeiten mag in diesem Juni verändert worden sein. Der Herbst wurde in diesem Jahr aus meteorologischer Sicht in der Gemeinde Krummhörn dem Sommer vorgezogen. „Ja, gibt es das denn?“ – Ja, das gibt es in Ostfriesland und man nennt es „Friesische Freiheit!“ – „Eala Frya Fresena“ (der friesisch/ostfriesische Wahlspruch und zentraler Ausdruck dieser Selbstbestimmung.)

