Felder, Wälder, Wiesen, Ems – Sustrum

Das "sehr frühe" Steinbild

„Ihr wollt euch entspannen. Ihr braucht Ruhe. Ihr braucht Ablenkung, um den Stress der vergangenen Wochen abzulegen. Ihr wollt ins Emstal. Ihr wollt weg.“ – Die beste Ehefrau von allen hat entschieden und so packen wir unsere Sachen.

Darth Vader + Big B. = 13,5 m

Sehr schnell stehen am Freitag Darth Vader und Big B. komplett auf- und ausgerüstet vor dem Haus. Los geht die Fahrt in Richtung Sustrum. Wir sind angemeldet und wir sind pünktlich gestartet. Ich bin mehr als entsetzt über die Dieselpreise, die sich an der nächsten Tankstelle bedrohend, nein, erpressend mir in den Weg stellend, ankündigen: 2,209Euro/Liter für Dieselkraftstoff. Nun ja, dafür bekäme ich heute nicht einmal 250g Butter. Warum nicht? Weil, … – Ach, was soll´s, wir wollen in ein entspanntes Wochenende aufbrechen und nicht über „unvermeidliche“ Preissteigerungen auf einer Basis beliebig ausgedachter Täuschungen disputieren.

Hinter Hecken verstecken …

Uns erwartet eine Dauerbaustelle kurz vor dem Emstunnel. Das Navi zeigt keine großartige Verzögerung und entspannungssuchend lassen wir uns auf die vorgeschlagene Autobahnroute ein. Wird schon nicht so schlimm werden.

Immer noch die einst angekündigte dreiminütige Verzögerung, die sich dann zu einer Stopp-and-Go-Situation von 1,5 Stunden entwickelte, in Erinnerung, lassen wir uns heute auf den navigatorischen Vorschlag ein.

Da ist sie auch schon. Der Dauerbauplatz kündigt sich rechtzeitig und vielfach beschildert an. Inzwischen rollen wir mit 80 Km/h in einem dementsprechend ausgewiesenen Streckenabschnitt. Auf der linken Spur nähert sich ein schwarzer Kleinwagen. Mittlerweile passieren wir ein weiteres „80-Schild“, das nun auch der hanseatische Fahrer des Polos bemerkt haben muss. Er bremst und fährt auf gleicher Höhe neben uns. Er fährt und fährt und fährt. Unser Tempopilot steht auf 80 Km/h. Immer noch fahren wir auf gleicher Höhe. In 600 m wird die linke Spur enden. Vor uns herrscht freie Bahn.

Hanseatischer Polo mit Bremskraftverstärker

Jetzt beginnt Herr Polo sein Hupkonzert. Erwartet er, dass ich das Gespann abbremse, um ihm freie Bahn für freie Hanseaten zu schaffen? Er erkennt, dass er durch kurze Beschleunigung seinen eingeleiteten Überholvorgang abschließen kann. Platz ist für alle und in ausreichendem Maße vorhanden. Er zieht davon, schert viel zu knapp vor uns ein und legt eine abrupte und vollkommen entbehrliche Vollbremsung hin. – „Selig sind, die da geistlich (Anmerkung: in diesem Fall wohl eher geistig) arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.“

In drei Sekunden schwimmt sie in der Ems

Entspannung beginnt anders. Vor dem und im Emstunnel kaspert der Polofahrer aus Hamburg dann noch ein wenig sehr auffallend bizarr-eigenwillig vor uns herum: beschleuigen, bremsen, noch einmal bremsen, kurz beschleunigen usw. Nur schade, dass im stetig wachsenden Rückstau nicht erkennbar ist, welcher Vollpf .. hier rumblödelt, denn mit Big B. am Haken verdecken wir die Sicht nach vorn. (Ich schreibe den Titel nicht aus, beziehe mich aber auf ein intellektuelles Vermögen, das ich nicht höher werte als das eines stehenden Holzbalkens.) Immerhin bewegen wir uns gelegentlich mit bis zu 60 Km/h in einer „80er-Zone“. Dann geht es wieder zügiger weiter. Ich vermute, die offensichtlich nicht gerade verzückte Beifahrerin sprach eindeutige Worte zu dem leidenschaftlichen Herrn am Volant.

Das Emsland bei Düthe

Zweistrom-Land, du hast uns wieder. Wir sind angekommen. Schnell ist ein lauschiges Plätzchen gefunden. Wir bauen auf und richten ein, wir „sunblocken“ mit den „Thule Vorhängen“ und sind rasch auf dem Weg unserer ersten Runde entlang der Ems und dem Dortmund-Ems-Kanal.

Den Kanal im Rücken blicken wir zur Sustrumer Kirche … nur, die ist an dieser Stelle „unsichtbar“ 😉

„Mr Tom“ liegt auf dem Tisch. 40g „peanuts in caramel“. Komisch, wenn dieser 547 kcal/100g-Tom geteilt wird, dann schmeckt er besser. Viel besser. Aber: „Gefangene werden nicht gemacht“. Ich gönne mir den ganzen Riegel.

Es ist beruhigend-einschläfernde 14.00 Uhr, die Sonne lacht am Himmel, ich versuche mich von den Nachwirkungen einer Kurzerkrankung zu erholen, es geht mir immer noch nicht besonders und so denke ich mir auch nichts dabei, als plötzlich „Mr Tom“ zu mir spricht: „Erinnerst du dich an die ersten Fahrten mit dem Wohnwagen? An die Erlebnisse auf den ersten Campingplätzen?“

Fast immer beginnen sie hier: unsere Ausflüge

Ja, da gab es schon Dinge, die die Welt bewegten: Auf einen Platz kamen wir erst mit großer Verzögerung, da der Platzwart gemeinsam mit seiner Enkelin reichlich und erschöpfend das örtliche Freibad besuchte. Auf dem anderen Platz nahm man uns für zwei Übernachtungen 25 Euro Stromkosten ab. Unerfahren wie wir waren, glaubten wir den Blödsinn mit dem „durchaus realistischen“ Verbrauch unseres „so großen Kühlschranks“. Erst später, und damit natürlich zu spät, realisierten wir, dass ein charakterloser Platznachbar bei unserer Ankunft schnellen Schrittes den offenen Verteilerkasten aufgesucht hatte und darin Stecker „umstöpselte“.

Oder der Platz auf dem man den Herrn Platzbetreiber für eine Terminabsprache persönlich aufsuchen musste, um planmäßig das Grauwasser entsorgen zu können dürfen. Und dann war da die Location bei der die Dauercamper mit ihren Autos und im Bademantel am liebsten bis in die Duschräume und den Backshop gefahren wären. Wehe dem, der nicht schnell genug zur Seite sprang. Ach, und die „Hütte“ in der um 22.00 Uhr die Duschräume bis 06.00 Uhr abgesperrt wurden. Die Krönung war der „Streichelzoo“ bei Magdeburg. Mit unserer Luna mussten wir ein durch ein Tor gesichertes, eingezäuntes Areal beziehen. Gut, die innerdeutsche Grenze war zwar verschwunden, andere Barrieren konnten zu dieser Zeit erst nach und nach abgebaut werden. Noch heute stelle ich mir die Frage: „Besaß keiner der dort lebenden 600 Dauercamper ein Haustier?“

„Schnell noch eben“ die Lektüre eingepackt und später festgestellt: habe ich doch schon gelesen 🙁

Es ist 15.00 Uhr geworden. Luna scheint den nun inzwischen zwei Tage währenden Versuch, die Maus aus ihrem Loch vor unserem Stellplatz zu locken, aufgegeben zu haben. Die kleine Münsterländerin liegt unter dem Tisch und mir zu Füßen. Und wenn ich ganz aufmerksam lausche, dann vernehme ich, neben dem Glockengeläut aus Sustrum, ein leises Kichern. Ein leises mausgraues Feixen, das nicht enden will. – Luna ist zu erschöpft, um es zu hören.

Jahreshauptversammlaung 2022 der emsländischen Petrijünger?

Natürlich ist sie schachmatt. Kein Wunder. Wer war es denn, die um 6.00 Uhr zum wiederholten Male eindringlich gähnend und sich streckend vor meinem Bett stand? Das Frollein hatte ausgeschlafen und wünschte spazierzugehen. Den Gefallen habe ich ihr getan: einen großen Gefallen. Wir haben von 6.30 Uhr bis 08.20 Uhr die sehr lange Sustrum-Steinbild-Düthe-Sustrum-Runde gedreht.

Die Kirche in Walchum

Um kurz nach 7.00 Uhr kommt uns ein Herr mit seinem Collie an der Ems entgegen. Warum den schottischen, langhaarigen Gesellen an der Leine führen, wenn man seinen Hund (vermeintlich) im Griff hat? Ein absolut überflüssiger Gedanke, der immer wieder tierisch in die Hose geht. Der Rüde ist sehr an dem Frollein interessiert und hört natürlich keine Silbe der hilf- und erfolglosen Kommandos seines Herrchens. „Ach, sie ist eine Hündin!“ Oh, wie erkenntnisreich und doch so entbehrlich. Hätten Sie sich an die Spielregeln gehalten, wäre alles kein Problem gewesen, denke ich.

Die Kirche in Walchum um kurz nach 7.00 Uhr. Nein, nicht kurz nach 19.00 Uhr

Und noch einer: Luna und ich gehen unsere kleine Runde. An der Landspitze stehen, wie so oft, Angler. Ein wohlgenährt-kugeliges Paar in Begleitung eines ebensolchen Hundes. Ein kleiner, unerzogener, dreister, sich selbst gewaltig überschätzender und besonders vorlauter Bengel. Kaum hat er uns erblickt, beginnt er sein Theater. Laut bellend kommt er, da natürlich nicht angeleint, jetzt auf uns zu. „Der tuuuuuut nichts! Der höööööört nur niiicht!“ Oh, welch´ gereifte Erkenntnis. Der Prahlhans, eigentlich ist diese Bezeichnung zu freundlich gewählt, bleibt nicht stehen. Demonstrativ mache ich jetzt klar, Luna im Falle einer weiteren Belästigung sofort von der Leine zu lassen. Das wirkt. Nicht bei dem unbeweglichen Paar, aber dem Hund dämmert, auf welch dünnem Eis er sich bewegen könnte und er legt den Rückwärtsgang ein. – Braucht man solche Erlebnisse an einem Wochenende, das der Entspannung dienen soll?

Ohne weitere Worte

Bis hierhin könnte der Eindruck entstanden sein, dass es an erfreulichen Dingen an diesem Kurzwochenende vollends gemangelt hat. – Nein, dies ist durchaus nicht der Fall. Der „Blues“, der mich anfangs befiel, ist längst verflogen und ich freue mich gerade über die Klänge aus der umfangreichen Jazz-Sammlung meines Schwiegervaters.

Volker Kriegel (1943-2003), Jazzmusiker

Volker Kriegel – Spectrum. Irgendwann in den 1970er Jahren produziert. In einer Zeit, da mein Schulfreund Joachim und ich mit unseren Vier-Spur-Stereo-Tonbändern auf der Lauer lagen und uns über jeden Titel, den wir im Rundfunk ergattern konnten, diebisch freuten. Damals gab es kein Streamen, Youtube & Co. Da wartete man geduldig und hörte sich alle möglichen Sendungen an. Immer in der Hoffnung, da kommt bestimmt noch was. Und: Wir haben uns in den 1970ern die Titel gemerkt und neue Aufnahmen katalogisiert und untereinander ausgetauscht. So tauschten wir: Volker Kriegel, Notiz für Giorgio Morandi, 3:17; Volker Kriegel, Freibad Süd, 4:54 usw. – Da war noch nichts mit „kopieren/einfügen/weiterleiten/down- and upload“.

„Synthese 3“. Das Tankmotorschiff soll einmal den Namen „Brunhild“ getragen haben

Glück hatte ich auch im Discounter in Walchum. Der „leckerste Bio Lachs ever“ war im Angebot und das dazu hervorragend passende Bio Brot auch. Mensch, was willst du mehr? „Und steht da nicht das „elefantöse“ dänische Bier aus Dänemark? Was? Ebenfalls zum Schnäppchenpreis! Das Abendessen ist gesichert.“

Felder, Wälder, Wiesen … und die Ems links neben uns

Luna bringt mich immer wieder zum Lachen, wenn ich sie dabei beobachte, wie sie der kleinen Maus in unserer Nachbarschaft, die sich aber rechtzeitig in ihrer „Höhle“ verschanzt hat, nachstellt. Interessant ist, dass die kleine Münsterländerin stundenlang wartet, lauscht und beobachtet. Sie weiß, dass es ginge, aber sie gräbt nicht nach dem kleinen Nager. Tja, wohlerzogen wie sie nun einmal ist, weiß sie sich auf Campingplätzen zu benehmen.

Für den Laien höchst brisant-interessant zu sehen

Während unseres ausgiebigen Morgenspaziergangs beobachte ich zwei große Binnenschiffe im Begegnungsverkehr auf dem Dortmund-Ems-Kanal. Für mich grenzt es an ein Wunder, „dass das passt“. Für die beiden Schiffsführer ist es „business as usual“. Das eine Schiff treffe ich an der Schleuse in Düthe wieder und werde Zeuge, wie „so ein großer Pott in so eine schmale Schleuse“ manövriert wird. Interessant. Nein, sehr interessant.

Auf dem Weg zur Schleuse in Düthe

1979 trank ich mein erstes Anheuser-Bush Bier in El Paso, Texas. Und nun lese ich „Beck´s“ aus der Brauerei Beck & Co. Anheuser-Busch InBev Deutschland GmbH & Co KG. Und „brewed with renewable 100% electricity“. – Na, wenn das kein weiterer Grund zu großer Freude ist!

Schnell auf dem Weg zur Schleuse in Düthe

Ebenfalls freue ich mich jetzt auf das Pantoffelkino, das ich gleich starten werde. Heute stehen zwei oder drei Folgen „Oktoberfest 1900“ auf dem Programm. Allein die Titelmusik „Wos übrig bleibt“ (Dreiviertelblut) ist ein guter Einstieg in den Filmabend.

01.35 Uhr. Ich konnte es nicht lassen und habe mir alle sechs Folgen (drei Doppelfolgen) der im September 2020 ausgestrahlten Serie in einem Rutsch angesehen. Nun hat „Oktoberfest 1900“ nicht viel mit der Kunst des Bierbrauens oder dem heutigen zweiwöchigen und größten Volksfest der Welt in München zu tun. Auch die Geschichte des Volksfestes und seiner Entstehung aus Anlass der Vermählung des späteren Königs Ludwig I. mit der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen am 12. Oktober 1810, daher der Name Theresienwiese, werden nicht erwähnt. Dafür geht es um die Macht der Brauereien als größte Arbeitgeber sowie um die in ihrer Gunst stehenden Wiesnwirte und deren Schanklizenzen. Die Serie wurde „als wilder filmischer Ritt durch die deutsche Kulturgeschichte“ (Rainer Tittelbach), „belangloser Schmarrn“ (Franz Kotteder in der Süddeutschen Zeitung) bis hin zu dem Urteil, dass diese famos besetzte Bier- und Blut-Saga den Vergleich mit Babylon Berlin durchaus nicht scheuen müsse“ (Tilmann P. Gangloff) in der Presse bewertet. Clemens Baumgärtner, Münchner Wirtschaftsreferent, kritisierte die Serie: „Ein Oktoberfest nur auf ein machtbesessenes Milieu zurückzudrehen, um Publikum zu generieren, ist total daneben. Es hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.“ Festwirt Christian Schottenhamel nannte die Serie rufschädigend. „Auch wenn es eine fiktive Darstellung sein soll, ist diese negative Darstellung schlimm. … Unsere Gäste werden denken: Das ist heute auch so.“ (Quelle aller hier wiedergegeben Zitate: https://de.wikipedia.org/wiki/Oktoberfest_1900)

Ich fand alle Folgen, die u.a. in Prag gedreht wurden, interessant, aufschlussreich und unterhaltsam, denn es war eine Unterhaltungssendung und keine Dokumentation. Auch wenn zu Beginn jeder Folge ein ähnlicher Hinweis wie „Die Handlung beruht auf einer wahren Begebenheit“ eingeblendet wird, so kann es sich dabei durchaus um eine fiktive Geschichte auf der Grundlage einer wahren Begebenheit handeln. – Oh, ich hätte Politiker werden sollen.

Noch ahnen die acht Erpel nicht, dass sie gleich durchstarten „wollen“

Nur wenige Stunden nach dem Oktoberfest Marathon meldet sich das Frollein. Wir drehen an diesem Wochenende die letzte Runde entlang der Ems und des Dortmund-Ems-Kanals. Nach dem Frühstück packen wir unsere Siebensachen, verabschieden uns von Familie Sandker und „drohen“ unsere Rückkehr noch in diesem Jahr an. – Sie nehmen es, wie immer, mit Gelassenheit.

Treffen sich zwei Hasen … Auf alle Fälle gesünder als jetzt einem Jäger über den Weg zu laufen

Noch schnell zum Schnäppchenpreis von „nur“ 2,099 Euro/Liter Diesel volltanken. Wir sparen bei einem Fassungsvermögen von 80 Litern enorm! Das Navi führt uns auf die Autobahn. Ich vertraue ihm trotz meiner Kenntnis der „verdichteten“ Dauerbaustelle vor dem Emstunnel. Es ist Sonntagmorgen, was soll da schon sein? Prompt werde ich hereingelegt: Rechtzeitig nach unserer letzten Fluchtmöglichkeit (AS 13 Weener) von der A31 zeigt der „Pfadfinder“ einen Stau mit einer Verzögerung von 9 Minuten an. 9 Minuten, darüber lache ich noch heute. Mehr als eine Stunde kosteten mich Vertrauen und Gutgläubigkeit an die Verlässlichkeit des Gerätes. Aber: Eine Stunde während der ich (wieder einmal) drei angenehme Tage in Sustrum Revue passieren lasse.