Einmal Steiermark und zurück, bitte

Hand und Hut des Urgroßvaters

Ich konnte es nicht lassen und habe intensiver an die Erkundigungen meines Großvaters Johann angeknüpft und mich auf den Pfaden, die er Ende der 1970er Jahre entdeckte, auf die weitere Suche nach Ahnen und Urahnen der Familie gemacht. Mein Großvater sammelte während seiner Aufenthalte und Urlaube in der Steiermark Dokumente und Informationen zu „seiner Seite unseres Clans“. – Mit seinen sachlichen Ergebnissen hat er in mir „etwas bewegt“.

Mein Opa nahm Ende 1970 Verbindung auf

Inzwischen habe ich einen Einblick in verschiedene Register der katholischen Kirche in Österreich und Deutschland bekommen. Ich habe mich bei meinen Recherchen auf die Steiermark/Österreich beschränkt, da hier die Suche meines Großvaters begann und sie sich als besonders erfolgreich im Umfeld einer Gemeinde/eines Bezirks in einem österreichischen Tal an der Mur erwies.

Der Teil der Steiermark in dem eine genetische Untersuchung wohl einiges beleuchten könnte

Nein, ich suche nicht nach dem verschollenen „Tafelsilber“, den Ländereien, Gestüten, Weinbergen, Konzernen oder Immobilien der Ur-Familie. Ich will auch keine fernen, entfernten und mir bis heute unbekannten Anverwandten besuchen und „heimsuchen“. Ich möchte einzig wissen, woher komme und stamme ich von der väterlicher Seite. Punkt. – Heute haben ich einen sehr klaren Einblick und bei dem will ich es belassen.

Obwohl in Deutschland geboren, musste der Sohn österreichischer Eltern die Staatsangehörigkeit erwerben

Und warum berichte ich von meiner Zeitreise? Weil ich mich mitteilen will. Nicht im Sinne einer Selbstoffenbarung, aber zum Informationsaustausch und als Erfahrungsbericht für potentielle Familienforscher. Und natürlich, um von meinen „suchenden Erfahrungen“ zu berichten. Allerdings nicht im Sinne von „Beim Tratsch kommt es nicht auf den Kern der Sache an, sondern allein auf die Einzelheiten.“ – Diese Einzelheiten vernachlässige ich, aber von der „Stockschen Völkerwanderung“ möchte ich berichten:

Irgendwann um die Mitte des 19. Jahrhunderts verkaufen meine Urururgroßeltern, oder war es noch ein „Ur“ mehr(?), Haus und Hof in den Bergen. Die Familie zieht in den Westen Deutschlands nach Nordrhein Westfalen. Hier setzt zu dieser Zeit die Industrialisierung mit dem Steinkohlebergbau ein. Die Eisenbahn erleichtert inzwischen die Reise. Die rasch voranschreitende Industrialisierung hat aber auch ganze Bevölkerungsschichten aus ihren gewohnten Lebenskreisen und –bindungen jäh herausgerissen. Wie viele andere gehören meine Vorfahren vielleicht auch zu den verzweifelt nach Arbeit suchenden Menschen.  – Die (eigentlich überflüssige) Frage, ob es tatsächlich ein Mitglied meiner Familie ist, das seinerzeit auch Bürgermeister in einem heutigen Gebiet der Stadt Essen wird, stelle ich dahin und somit in Frage.

Auch bei uns wurde immer wieder mal geheiratet

Ebenfalls ist mir nicht bekannt, ob nach dem plötzlichen Tod meines Urururgroßvaters die verbliebene Familie wieder komplett oder nur einzelne Familienmitglieder zurück in die Steiermark kehren. Irgendwann heiratet jedenfalls mein Uropa Johann (nicht zu verwechseln mit Opa Johann) meine Uroma „Cillie“ (Cäcilia), die aus Harthausen bei München stammt. Und zwar in Borbeck (heute Essen). Wie kommt „Oma Cillie“ aus Bayern nach Nordrhein Westfalen? Opa Johann wird hier noch geboren bevor die Familie dem Steinkohlebergbau in NRW den Rücken kehrt und zurück nach Oberbayern zieht. Wieder in die Nähe eines Bergwerkes in den Westen des Landkreises Miesbach.

Zur Beglaubigung herausgezogen. „Ein Auszug zur Beglaubigung!“

Meinen Opa treibt es vom Landkreis Miesbach in die Welt: Nach München. [Minga liegt af da owaboarischn Hochebene, ebba 50 km neadli vo d’Oipm. (München liegt auf der oberbayerischen Hochebene, etwa 50 Kilometer nördlich vor den Alpen.)] Ich wusste bis vor wenigen Tagen nicht, dass mein Großvater als Johannes getauft war und nicht, wie mir stets gesagt, Johann hieß. Inzwischen arbeitet er erst als Monteur, dann als Kranführer für eine erdölsuchende und –fördernde Gesellschaft. Er lernt meine im Landkreis Miesbach geborene Oma Maria kennen. Sie heiraten. Mein Vater wird geboren, die Familie geht in Sachen Öl nach Cuxhaven und kehrt wieder zurück. Rottach-Egern am Tegernsee.

Symbolisch für den Landkreis Miesbach: Der Tegernsee

Mitte der 1950er Jahre verbringt meine (noch nicht) Mutter aus Bremerhaven ihren Urlaub am Tegernsee. Dort begegnet sie meinem (noch nicht) Vater. Der packt, durch Amor verwundet und entschlossen, seine Sachen, reist ihr nach und zieht schließlich in den hohen Norden an die Wesermündung. Mit dieser „Urlaubs- und Reisewelle“ aus den 1950er Jahren werde ich in Bremerhaven „an Land gespült“. – So, das waren ca. 176 Jahre Familiengeschichte in Ultrakurzform. [Würde ich auch „ahnende“ Onkel, Tanten, Geschwister nebst Familien und Ortsangaben erwähnen, wäre der Roman „Vom Winde verweht“ dagegen ein „Handzettel“.]

Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare …

Nun noch vier (Ab-)Sätze zu den von mir anfangs angekündigten Informationen für potentielle Familienforscher: Kirchenbücher in Form von Tauf-, Trauungs- und Sterberegistern nebst der sie begleitenden Indexe sind sehr akribisch geführt. In meinem (Familien-)Fall überwiegend in einer zum Teil besonders verwegenen altdeutschen Handschrift. Diese zu lesen fällt nicht immer leicht. Und natürlich gibt es auch „Schmierfinken“ unter den buchführenden Chronisten: Warum eine Streichung mit dem Lineal durchführen? Warum nicht gleich ganze Sätze und Passagen großzügig unter ein tinteverkleckstes Rautenmuster legen?

Meine (Lese-)Hilfe, um die „fliegenden“ Handschriften besonders kreativer Pfarrer zu deuten

Während meiner Schuljahre bereute ich es schnell, Latein als 2. Fremdsprache gewählt zu haben. Heute bin ich zum ersten Mal froh, es getan zu haben, denn viele Pastoren verewigten ihre Eintragungen in eben dieser Sprache. Glücklich der und die, die wissen, was uxor, maritus, matrimonium, coniunx oder in matrimonio collocare bedeuten.

Als besonders schön empfinde ich den Fleiß, die Gewissenhaftigkeit und die Akkuratesse mit der die Eintragungen in den vielen Büchern handschriftlich vorgenommen wurden. Schön sind die Arbeiten, die sich des Auges annehmen, es verwöhnen und so einen mühelos gleitenden Blick auf die gesuchten Informationen ermöglichen. Abenteuerlich dagegen die „Inskriptionen“ der Kirchenkünstler, die ihre Handschrift ausleben, die sie rückhalt- und schrankenlos über Seiten, Zeilen und Spalten fliegen lassen. Schreiber, die losgelöst und freisinnig alle Register ziehen und grenzenlos drauflosschreiben. „i-Punkte“, die zwei Zeilen zu hoch über einem nichts ahnenden Konsonanten landeten, entsprangen ihrer Kreativität und forderten dadurch meine Phantasie heraus.

Der Gamsbart am Hut des Urgroßvaters

Ich möchte niemanden vor oder auf dem Weg der Familienforschung erschrecken, denn es macht auch sehr viel Spaß, in den alten Schriften zu stöbern, auch wenn dies ein wenig (mehr) Zeit in Anspruch nehmen wird. – „Man muss wissen, woher man kommt, wenn man wissen will, wer man ist.“ [Ich weiß nicht, wer es gesagt hat.]

Ringbergfriedhof. Hier ruhen Uroma und die Großeltern