Der Nebel steigt, es fällt das Laub

Schenk´ ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden! (Auszug: Oktoberlied, Theodor Storm)

Big B. und Darth Vader im Emstal

Es ist unser zweites Wochenende in Folge im Emstal. Wir haben Big B. während der Woche allein an der Ems zurückgelassen. Er hat es gut verkraftet und wie wir von Familie Sandker erfahren, hat er auch nicht gejammert, dass er so ganz allein an der Ems ausharren musste. Naja, er ist ja auch schon groß und kein Angsthase. Nicht umsonst trägt er den Namen „Big B., der Unerschrockene“. – Obwohl, erleichtert durchgeatmet hat er dann doch, als wir ihn am Donnerstag wieder bezogen.

Über diese Brücke musst Du geh´n …

Für dieses Jahr ist es das letzte Wochenende im Emstal. Saisonschluss. Nicht nur hier, auch wir werden den Caravan nun bald in die Scheune unseres Vertrauens bringen und ihn dort überwintern lassen. Doch bis dahin ist es noch einige Tage hin und so können wir dem auf das Wohnwagendach prasselnden Regen noch ein wenig Gehör schenken. Und da sich auch der ausgiebige Niederschlag hin und wieder eine Pause gönnt, bleibt uns genügend Zeit, trockenen Fußes mit dem Frollein an der Ems umherzustreifen.

Die Ems um kurz nach acht

Die zahlreichen Angler am Seitenarm der Alten Ems haben inzwischen herbstliche Unterstützung durch eine sehr engagierte Jägerschaft erhalten. Hier und da fallen Schüsse und auch Luna kann ihre jagdlichen Gene weder verleugnen noch zügeln und erlebt sehr konzentriert und in waidmännisch-aufmerksamen Eifer Feld, Wald und Flur. In Anbetracht der scharf schießenden Weidmänner und -frauen allerdings kurz gehalten an der Leine.

Offensichtlich aufgegebene herrenlose Sache

Die Wetterlage gewährt uns viel Zeit zum Lesen. Wir sind gut versorgt und so kenne ich die letzten beiden Ausgaben der „Caravaning“, Europas großem Camping-Magazin, nahezu auswendig und belächle immer noch die beiden Artikel aus der ADAC-Motorwelt mit den Themen Elektro-Tretroller und Porsche Taycan, „dem ersten ernsthaften Tesla-Jäger“ (Zitat Wolfgang Rudschies).

„Tesla-Jäger?“ – Na. klar, eine der zahlreichen Enten an der Ems trägt bestimmt diesen Namen …

Man darf die Umweltbilanz von E-Scootern hinterfragen, wird aber lange auf eine seriöse Antwort warten. Doch zurück zum tatsächlichen Gewinn der Elektromobilität: Porsche Taycan. In der „alltäglichen“ Variante verfügt der natürlich rennstreckentaugliche Sportwagen mit Elektroantrieb über 625 PS. Ich argwöhne, ich zweifle, mein Vertrauen in das märchenhafte Stuttgarter Verständnis für wahre Leistung und Entschlossenheit erlischt jäh. Dann wird meine Skepsis ausgeräumt: Es gibt den Porsche auch in der 761 PS Version. Gott sei Dank! Mit Big B. am Haken würden wir die Beschleunigung von 0 auf 200 Km/h in rund zehn Sekunden nicht halten können. Doch man muss auch bereit sein, Einbußen hinzunehmen. – Schließlich steckt die zur sicheren Entlastung der Umwelt und für einen durchgreifenden Klimaschutz geförderte Elektromobilentwicklung noch in den Kinderschuhen.

An der Brinkstraße

Inzwischen fahren wir seit einigen Jahren regelmäßig und gern ins Emsland. Wir kennen die Gegend um Sustrum gut. Heede, Dersum, Walchum, Steinbild, Kluse, Lathen, Haren. Wir haben diese Städte und Ortschaften längst besucht. Nur in Dörpen, vor „unserer“ Sustrumer Haustür gelegen, waren wir nur sehr vereinzelt. Eigentlich nie. Das muss sich ändern. Und so fahren wir über Kluse, Steinbild und die B 70 nach Dörpen. Hätten wir uns früher und engagierter um Dörpen gekümmert, so hätten wir nicht den weitläufigen Weg über die Bundesstraße gewählt, sondern würden die geradlinige Verbindung dorthin auch kennen. – Das hat man nun davon …

Panorama an der Badestelle

Wir stellen fest, dass Dörpen vieles bietet und das gefällt uns sehr. Da es aber augenblicklich regnet, lassen wir diese Eindrücke im Auto sitzend auf uns wirken und beschließen, demnächst öfter in die Hauptstraße zu kommen. Über die B 70 und B 401 erreichen wir Papenburg. Schon immer wollten wir einmal die dortige Fußgängerzone in Augenschein nehmen. Wir finden sofort einen Parkplatz. Kein Wunder, es regnet „gesättigt“ und an einem Freitag gegen 18.00 Uhr verspürt auch der entspannteste aller Emsländer kein Verlangen mehr, sich hier „einweichen“ zu lassen. Wir schon. Die Einkaufsmeile gehört uns. Doch wir haben wohl „das falsche Ende“ der Fußgängerzone gewählt: Ich fühle mich ein wenig wie in der Gegend eines schummerig-zweifelhaften Bahnhofsviertels.

Die Brinkstraße versteckt sich hinter diesem Feld

Diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, hält neben uns ein Kleinwagen aus den benachbarten Niederlanden. Ein Bär von einem Mann mit Wollmütze und winterlich bekleidet, steigt aus. Hinter ihm, in seinem Windschatten, huschen zwei sehr sommerlich gekleidete Damen aus dem Auto, um zwei anderen, ebenfalls sehr federleicht-luftig bedeckten Damen ihre Plätze in dem kaum auffallenden Fahrzeug zu überlassen. – Wer jetzt nicht kritisch wird, … hegt auch keinen Argwohn.

Am Ufer der Ems

Irgendwann zu Saisonbeginn fiel uns ein Prospekt des Caravan Centrums Emmen/NL in die Hände. Und da wir wissen: „Kamperen begint bij ons!“, so jedenfalls das Motto der niederländischen „Caravanserai“, machen wir uns auf den Weg dorthin. Auf heute nicht mehr entwirrbaren Wegen gelangen wir über Sustrumer Moor, Emmer-Compascuum und Emmer-Erfscheidenveen in die Navigatiestraat 7 in Emmen. Wir staunen nicht schlecht über das Angebot an Wohnwagen, ob neu oder gebraucht, und Wohnwagenvorzelten. Letztere rufen immer lauter nach uns. Eine Markise im Sommer ist ein wunderbarer Schattenspender. Im Herbst könnten wir uns ein Vorzelt als Schlupfwinkel vor einer ungünstigen Wetterlage inzwischen auch sehr gut vorstellen. Und so haben wir uns heute einmal Unico Voortenten & Combi-Luifels angeschaut. Da gibt es schon sehr interessante Typen des niederländischen Herstellers, aber wir haben auch noch verschiedene Kampa-Modelle ins Auge gefasst.

Van Echtenskanaal in Klazienaveen/NL

Nicht einmal einen Steinwurf von Emmen entfernt liegt Klazienaveen. Also, so dichte bei, dass man den Duft frisch gebrutzeltem Kibbelings selbst im luftundurchlässig gekapselten Auto wahrnimmt.

Sehen nicht nur gut aus …

„Da müssen wir hin!“ Ich finde den Weg mit verbundenen Augen. Allerdings hätte ich das vermeiden sollen, denn beinahe schiebe ich die niederländische vorfahrtberechtigte Autofahrerin mit ihrem Nissan Micra in die Fassade eines Schuhgeschäfts. Sie ist in diesem Fall nicht unbedingt so typisch niederländisch gelassen, sondern eher vom Donner gerührt! – Aber: Appetit kennt kein Erbarmen! Und Schuhe gefallen doch jeder Frau. [Anm.: „Nee, meine gedankenlose Aktion war komplett daneben.“]

Emmer Vishandel – 1a Kibbeling

Eine Familienportion Kibbeling inkl. doppelter Ration Sauce später sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Da ist diese Lampe, die wir schon vor vielen Monaten sahen und dann nicht kauften. Später war sie unauffindbar, heute entdecken wir sie bei „Trends en Vloeren“ wieder und nun wird sie bald im Ammerland leuchten. Und dann ist da dieser Käsestand auf dem Wochenmarkt in der Langestraat. Der Kreuzkümmelkäse schmeckt hier und wirklich nur hier, also allein hier und bei dieser Händlerin, nennen wir sie Frau Eisenga, am allerbesten. Punkt! – Nach unserem ausgedehnten Einkauf verabschiedet sie sich zu einer mehrmonatigen Kreuzfahrt mit „Mein Schiff“. Wir werden sie und ihren K³ (KreuzKümmelKäse) vermissen.

Blick über die Ems zum Sielgraben Sustrum II

Heute ist nicht mein Tag: Beim Ausparken in der Klazienaveener Van Echtenskanaal Noordzijde übersehe ich eine hinter einem Lieferwagen verborgene Radfahrerin. Plötzlich ist sie da und ich vernehme niederländische Kraftausdrücke, die ich mir nicht merken kann. Vielleicht begegne ich ihr im kommenden Jahr wieder, dann sollten wir uns dahingehend noch einmal austauschen. Auf der A31 wähle ich ungeachtet der erprobten Navi-Erkenntnisse völlig unkonzentriert die falsche Umleitungsempfehlung und fahre wieder in Richtung Niederlande. Anschließend verpasse ich die A31 Anschlussstelle Lathen und wir müssen über Dersum und Walchum zurück ins Emstal fahren. Allerdings, in Walchum findet sich die Ganseforthsche Bäckerei mit dem leckersten Apfelkuchen zwischen Leer und Rheine. Und da wir einmal hier sind … Später folgt dann noch meine vollkommen geistesabwesende „Ich-fahr´-noch-eben-Tanken-Irrfahrt“. Diese zu schildern erspare ich uns.

Keine Ente bleibt unentdeckt. Garantiert!

Sonntag. Letzter Saisontag im Emstal. Die Gäste brechen ihre Zelte ab. Campingmöbel werden zusammengeklappt, Markisen „ziehen sich zurück“, Vorzelte werden an der Luft für´s erste trockengewischt, Satellitenanlagen richten sich auf eine längere Empfangspause ein, CEE Leitungen werden eingerollt und Caravanspiegel montiert. Zwar sitzen an der Ems an diesem Morgen keine Angler, aber dennoch werden hier und da (Zelt-)Heringe eingesammelt. Viele Fahrradträger sind bereits beladen, Stützen werden eingeholt und Grauwasser- sowie Thetford Einrichtungen erleichtert und gespült. „Bewachende“ Deichselsicherungen sind entfernt und hier und da surrt bereits die erste Rangierhilfe. Nach und nach setzen sich Knaus, Adria, Hobby, Dethleffs, Fendt, Tabbert, Eriba, LMC und andere Caravans in Bewegung. Der Platz leert sich. NDR Kultur spielt schwere Musik. Das Laub fällt von den Bäumen und auch wir packen unsere Siebensachen und fahren zurück ins Ammerland.

Ja, es hat sehr oft und ausgiebig geregnet. Dies ist allerdings nicht das Ende einer Einbahnstraße, hier geht es in einen Seitenarm der Alten Ems

Es war wieder einmal eine schöne, abwechslungsreiche und besonders entspannte Saison im Zweistromland. – Und wie hieß es so treffend in einer ZDF-Kinderfilmserie der 1970er Jahre („Trickfilmzeit mit Adelheid“): „Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!“

Hinter den Bäumen verläuft der Dortmund-Ems-Kanal