Der 280er

Eine Geschichte ohne Fotos. Zur freundlichen Erinnerung an Joachim Anton H. und einzig für das „geistige Auge“ bestimmt.

Heute kam mir ein Mercedes-Benz 280 S entgegen. „Schön“, denken der eine und die andere: „Und warum ist das so besonders?“ – Es handelte sich um einen Typ W 108, der gern als „die alte S-Klasse“ bezeichnet wird, obwohl besagte Klasse zur Zeit der Fertigung dieses Typs (1967–72) noch gar nicht vom Band gelaufen war. – (Zitat) Mercedes-Benz bezeichnet die Modelle W 108/109 als „die eigentliche Geburtsstunde der S-Klasse“, auch wenn man sie damals noch nicht so nannte (Zitatende, wikipedia).

Besagter Mercedes 280 S, wenn auch noch nicht eine S-Klasse, so doch ein 6-Zylinder-Oberklasse-Modell mit einem Hubraum von 2778 cm³ und seinerzeit 140 PS, weckte sofort Erinnerungen in mir:

2./Flugabwehrraketenbataillon 26 NIKE, Chorengelshellmer / Sürwürder Hellmer, Lockfleth, Feuerleitbereich und Joachim (1954 – 2020), „nick name“: Jochen. – Jochen fuhr dieses W-108er-Modell. Und er wäre nicht Jochen gewesen, hätte sein 280er nicht auch bereits damals über besondere Ausstattungsmerkmale verfügt, wie ein Automatikgetriebe, Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber, eine Standheizung und … nun kommt´s: Am rechten Kotflügel des tiefschwarzen „Mafiaschlittens“ befand sich die Halterung für einen Stander. Bestimmte Amtsinhaber und Würdenträger besitzen die Berechtigung zum Führen von Standarten … und der damalige Herr Oberfeldwebel J. – „Wer, wenn nicht er?“

Ich will mich auf keinen Fall über Jochen lustig machen. Im Gegenteil! Ich erinnere mich oft und dies sehr gern an unsere gemeinsamen Jahre während der 1980er. „So manches Ding“ haben wir uns da hin und wieder geleistet. Nein! Wir haben uns niemals rechtswidrig verhalten und selbstverständlich auch keine Straftaten begangen.

Wir haben vielleicht einmal mehr als gewöhnlich, auch gegenüber den uns anvertrauten Soldaten, „Fünfe gerade sein lassen“ und bestehende Dienstvorschriften mit ein wenig mehr Freigeist interpretiert, als dies im Sinne realer Anweisungen gedacht war. – „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?“

„Was hat das alles mit dem Mercedes-Benz 280S zu schaffen?“ – Es ist die Brücke, die dieses Fahrzeug meinen Gedanken an Jochen schlug. Und da fällt mir die eigentliche Geschichte ein:

Es soll einmal zwei Soldaten gegeben haben, die wenig bis gar keinen Gefallen an einer Disziplin des Soldatensportwettkampfs fanden. Um dem eigentlich allgemein sehr unbeliebten 5000m-Lauf ein wenig mehr Attraktivität zu verleihen, machte sie sich daran und vermaßen selbstlos, um eine Alternative zu den monotonen 12,5 Runden auf dem Sportplatz an der Molkereistraße 21 zu schaffen, parallel zum Alser- und Hakendorferwurp entlang des Lockfleths eine Ausweichstrecke. Schnell waren die erforderlichen Streckenmarkierungen inkl. Wendemarke auf den Beton gesprüht. An eben dieser Wendemarke nahm ein Posten Aufstellung und erfasste die hier den Rückweg antretenden Sportler. Ich darf Sportler schreiben, denn Sportlerinnen gab es erst ab dem 1. Januar 2001 in den Kampfverbänden. Gut, einige gab es davor bereits in den Disziplinen MilPhys, -San und -Geo.

Die 5000er-Läufer starteten am Tor zum Feuerleitbereich. Der Tor- und Schließerposten erfasste schriftlich den Start und späteren Zielleinlauf. An der Wendemarke wurde die „körperliche Anwesenheit“ quittiert. Fertig!

Mindestens zweimal patrollierte der tiefschwarze Mercedes auf der Laufstrecke, hielt stets außerhalb der Sichtweite zur Wendemarke und dem Tor- und Schließerposten. Eben dieser Mercedes verfügte neben all seiner luxuriösen Ausstattung über einen sehr geräumigen Kofferraum. Ohne weiteres hätte ein zuvor am Tor FLB gestarteter Sportler dort hinein huschen können, vor der Wendemarke diesem entschlüpfen, um sich nach dem dortigen „Vollzähligkeitsappell“ wieder … usw. Doch das ist natürlich rein spekulativ.

Ich bleibe im Konjunktiv: WER in aller Welt hätte das getan?