… er kriegt keinen Urlaub mehr. (Hermann Lahm)
Der erste (Sommer-)Ferientag in Niedersachsen. Wir wagen es. Der „Fliegende Holländer“ steht reisefertig vor dem Haus. Die beste Ehefrau von allen hat alles vorbereitet, gepackt und verstaut. Ich weiß lediglich, dass wir den Wohnwagen am Haken haben, denn das war so ziemlich der einzige Handgriff, den ich zu den Reisevorbereitungen beigetragen habe.

Schon sind wir auf der Autobahn, fahren gen Bremen und auch hier sehr unproblematisch weiter in Richtung Hamburg. Dibbersen, Horster Dreieck, Maschen, Harburg, Stillhorn, trotz Baustelle geht es zügig in Richtung A24. Kreuz Hamburg-Ost: wo sind sie alle, die Ferienreisenden? Sind die Zeugnisse so schlecht ausgefallen, dass alle Urlaubspläne verworfen werden müssen?
Eine Baustelle zwischen Talkau und Hornbek „bremst“ uns auf 60 Km/h herunter. Was soll´s, wenn man selbst für fast alle anderen Verkehrsteilnehmer das Verkehrshindernis schlechthin darstellt? Aus diesem Blickwinkel sah ich jedenfalls bis zum Juni 2014 die Begegnungen mit Wohnwagen- und Wohnmobilkutschern. Und nun ziehen wir selbst „eine Urlaubsdose“ durch die Landschaft.

Exakt in den Naturpark Lauenburgische Seen „schleppen“ wir den Fliegenden Holländer. Einmal mehr zieht es uns an den Elbe-Lübeck-Kanal nach Güster. Wir schaffen es vor der täglichen Mittagsruhe und haben um 13.00 Uhr unser Lager aufgeschlagen. Der Flying Dutchman liegt auf Reede, wir in den Liegestühlen. Rundherum Natur und diese natürlich vom Feinsten. Luna liegt im Schatten und „erschnuppert“ Enten und Schwäne. Eigentlich hat sie bereits die Witterung aller hiesigen Wasservögel zwischen Lauenburg/Elbe und Mölln aufgenommen. Das kann ja heiter werden.

Wird es dann auch: während des ersten ausgedehnten Spaziergangs am Kanal überholt uns ein ebenso einsamer wie durchtrainierter Paddler. „So eine große Ente habe ich noch nie gesehen! Ich nehme die Verfolgung auf!“ Dies mögen die letzten „bei-Fuß-Gedanken“ unserer Heidewachtel gewesen sein, denn wir sehen nur noch ihre weiße Rutenspitze im Schilf verschwinden. Sekundenbruchteile später ist sie wieder auf den Weg zurückgekehrt, aber nur um eine günstigere Ausgangsposition zu finden, die „Ente“ zu apportieren. Platsch! Wir sehen sie nicht, hören sie aber deutlich „zu Wasser gehen“. Heerscharen von Federvieh flattern aus dem Schilfgürtel. Der Paddler kommt nicht aus dem Rhythmus und entkommt unserer Luna „mit knapper Not“. Gott sei´s gedankt. Ich sah uns schon in eine größere Aktion zur Rettung Schiffbrüchiger verstrickt. Sie wäre kein Kleiner Münsterländer, würde Luna nun nicht zu einem weiteren Versuch, diese Mega-Ente zu greifen, ansetzen. Ein Pfiff löst die morgendliche Jagdgesellschaft auf. Der Paddler tut so, als habe ihn dies alles nicht interessiert, doch ich meine, klitzekleine Schweißperlen auf seiner Stirn entdeckt zu haben.

Ich bin kein Vollblut-Camper. Ganz bestimmt beherrsche ich nicht die letzten Tricks des mobilen Einsatzes, aber wenn ich mir einen Wohnwagen leihe, um damit meine Ferien zu verbringen, dann informiere ich mich. Informiere mich über das „Instellungbringen“ des Caravans, informiere mich über die Installation der Stromversorgung und vor allem weiß ich, wie man ein Vorzelt aufbaut. Dieses endlose Gewirr aus Taschen, Zeltbahnen, Seilen, Gestänge und vielen anderen interessanten Dingen, von denen der Pauschalreisende nur träumen kann.

Nicht so die beiden Herren, die neben uns ihr Lager aufschlagen. Nach zwei Stunden rat- und rastlosem Hin und Her geben sie es auf, setzen sich mit ihren beiden Klappstühlen vor ihren (Leih-)Wohnwagen und genießen die Abendluft. „Da hättest Du ja wohl mal eben mit Hand anlegen können,“ höre ich die geneigten Leserinnen und Leser sehr vorwurfsvoll sagen. Aber wie ich bereits erwähnte, auch ich beherrsche noch lange nicht alle Tricks des mobilen Einsatzes. Wir haben kein Vorzelt. Wir haben ein Sonnensegel. Um ehrlich zu sein: wir hatten ein Vorzelt, das ich nach unserem ersten, ähnlich wie bei den beiden Herren verlaufenden Manöver, zur Endlagerung nach Mansie (zur Mülldeponie des Landkreises Ammerland) brachte. – Es gibt weitaus interessantere Tätigkeiten, als beim Aufbau solch eines Vorzeltes Geduld, Zeit, Erholung und gute Laune zu verlieren.

14.00 Uhr: Regenwahrscheinlichkeit 30%. 15.00 Uhr: Regenwahrscheinlichkeit 40%. Dank smartphone und der passenden Wetter-App sind wir stets online und im Bilde. Die beste aller Ehefrauen hat die Regenwahrscheinlichkeit im Blick. So trifft es uns natürlich nicht unerwartet, als um 4.56 Uhr ein Gewitter mit allen Extras über uns hereinbricht. Unsere einzige Befürchtung: Luna könnte instinktiv das Verlangen verspüren, mal „für kleine Mädchen“ zu müssen. Dafür oder besser dagegen gibt es nämlich noch keine application von Apple & Co. Es geht gut. Das Frollein interessiert sich nicht einmal für Blitz, Donner und Wolkenbruch. 12.00 Uhr: Regenwahrscheinlichkeit 45%. 18.00 Uhr Regenwahrscheinlichkeit: 60%. 18.30 Uhr: Besuch des örtlichen Griechen 100%.

Wir haben reserviert. Und das ist richtig. In der Taverne Inos, „unserem Griechen in Güster“, ist was los. Die Brüder Karagiannis und ihr Team haben alle Hände voll zu tun und trotzdem alles im Griff. Das Frollein liegt entspannt unter dem Tisch, wir lassen es uns schmecken. Unsere „Erneute Besuchswahrscheinlichkeit“: 100%.

Wir haben kein Vorzelt, wir haben ein Sonnensegel. Fast müssen wir uns auch von diesem verabschieden, denn in der Nacht bläht ein Sturm das Segel des Fliegenden Holländers gewaltig. Unser rechteckiges „Rahsegel“ trifft es in der Nacht gnadenlos. Prasselnder Regen und ein starker Wind beuteln die Fock unaufhörlich. Es gibt Zeltheringe für alle möglichen Bodenbeschaffenheiten und aus unterschiedlichsten Materialien. In dieser Nacht sind wir an dem Modell „Sintflut Protektor“ stark interessiert. Nur gibt es diesen Typ nicht. Noch nicht. Frei nach Goethe: „Halb zog sie ihn, halb sank er hin und ward nicht mehr geseh´n“, sinkt unser Vorzelt gegen 2.45 Uhr in sich zusammen. Da wir es, im Gegensatz zu dem in den Fluten versunkenen goetheschem Fischer, noch sehen können, lassen wir es vorerst am Boden liegen. – „Ein Unding! Welch eine Schluderei!“ Ja, aber ich besitze keinen Neopren-Schlafanzug und bleibe somit trocken.

8.30 Uhr. Die in der Nacht entfesselten Urgewalten haben sich quasi in Luft aufgelöst. Ich berge das augenblicklich noch handlungsunfähige und bibbernde Sonnensegel. Langsam erholt es sich und nimmt schon bald seine schattenspendende Tätigkeit wieder auf. Wir frühstücken vorsichtshalber in der Kajüte des Fliegenden Holländers. Nicht, dass wir der Wetter-App (50%) nicht trauen, aber wie lässt schon William Shakespeare „seinen“ König Heinrich IV. so treffend behaupten: „Das bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht.“
Später brechen wir auf. Erst einmal in Richtung Heimat und dann nach, ja, wohin eigentlich? – „Erst tun mer mal garnix; dann schau’n mer mal; und dann wer’n mer scho’ seh’n.“- Lassen wir uns überraschen.

Freizeitwelt Güster: Unsere Rückkehrwahrscheinlichkeit 100%


Hi Ronald,
es hat wieder unbändig Spaß gemacht, diesen Urlaubsbericht zu lesen. Man(n) hatte das Gefühl, auch dabei gewesen zu sein. Hoffentlich fahren die beste aller Ehefrauen, das Frollein und Du
bald wieder in Urlaub mit dem fliegenden Holländer. Es macht einfach Spaß, auch dabei zu sein.
Viele Grüße
Holger
Hallo Holger,
schön, dass Dir der Bericht gefällt. Morgen geht es in Richtung Magdeburg. Bericht folgt.
Viele Grüße in die Wesermarsch!
Ronald
Endlich wieder ein Bericht, juhu. Einen pro Woche würde mich wirklich nicht stören. Es ist eine Freude die Erlebnisse der drei Globetrotter zu begleiten. Nun denn, es sind noch genug große Enten unterwegs!
Liebe Grüße
Thomas
Hallo Thomas,
ich freue mich sehr über Deinen Kommentar! Und schon packen wir unsere „sieben Sachen“ und fahren morgen in Richtung Magdeburg. – Bericht folgt, „türlich“.
Viele Grüße
Ronald