Es ist schon eigenartig, aber in der Vorweihnachtszeit holen mich immer wieder Bilder aus einer Zeit ein, die ich im Grunde ad acta gelegt habe. Es sind Bilder, die, obwohl sie in keinem grafischen Tiefdruckverfahren entstanden sind, doch als „Stahlstich“ bezeichnet werden müssen. Nadelspitz stechen sie zu und „verletzen“ mich noch heute. Unlängst holten mich „diese Geister“, die ich nicht rief, wieder ein.
Auslöser war ein „Süppchen“. Ich wähle bewusst diese grammatische Verkleinerungsform der auf der Grundlage eines Fonds beruhenden und aus weiteren Zutaten bestehenden Speise. – Eben saß ich noch entspannt vor meinem Süppchen, da startet das „vorweihnachtliche Kopfkino“:
Wir üben neben einem großen Flugfeld an der Vechtaer Straße in der Gemeinde Großenkneten. Seit mehreren Tagen ziehen wir mit unserem hochmodernen und mobilen Waffensystem durch den Raum Oldenburg-Cloppenburg-Delmenhorst. Wir fahren in der Dunkelheit. Bauen auf, gehen in Stellung, tarnen und täuschen, kämpfen, bauen ab und ziehen weiter. Wir, das sind mehr als 100 Soldatinnen und Soldaten unter der Führung eines Stabsoffiziers.
Es geht an die Substanz und an die Nerven. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, da geht es zwar noch, aber nicht mehr so professionell wie gewohnt. Die Luft ist raus. Es bedarf keiner erweiterten Ursachenforschung „Warum?“ dies so ist.
Die Abhandlung über „Die paradoxe Wirkung von Strafe als Erziehungsmittel“ scheint er nie gelesen und schon gar nicht verinnerlicht zu haben. Also „haut er drauf“, der Herr Major. Er verteilt „Druck und EPA“ (EPA – Essenrationen (EinmannPAckungen) der Bundeswehr für das Überleben im Felde.) Ein Vorgesetzter, der „Druck und EPA verteilt“, bestraft seine SoldatInnen als Druck- und Erziehungsmittel. Dies geschieht an diesem Abend in einer lautstarken und schließlich ungerechten und damit kontraproduktiven Art und Weise. Und dann begeht er den Kardinalfehler: Er schart seine ihn anbetenden Lieblinge um sich und verlässt das Übungsszenario. Gemeinsamen speisen die Herren an diesem Abend im Kasino.
Was hat das alles mit dem „Süppchen“ zu schaffen? – Es geht gegen Mitternacht. Die Stellung ist gesichert, die Streifen patrouillieren, nicht benötigtes Personal, außer demjenigen, der selten schläft, befindet sich in Ruhe. Die (geübte) Sicherheitslage ist mehr als angespannt. Da kommt er, der Ruf des Einheitsführers! Er möchte ein Mitternachtssüppchen und dazu ein „Scheibchen“ Vollkornbrot. Im ersten Moment kein Problem, aber der Herr Major befindet sich „auf dem Gefechtsfeld“. Dorthin bringt man, auch wenn „nur“ geübt wird, nicht mal eben ein „Süppchen mit Scheibchen“!
Doch. – Er soll sie auslöffeln: Personal aus dem Schlaf reißen, Doppelstreife bewaffnen, aus- und aufrüsten, in die Lage einweisen und „Auf geht´s!“. – „Wenn man seine Ruhe nicht in sich findet, ist es zwecklos, sie andernorts zu suchen.“ – Der Herr Major weiß bis heute nicht, womit ich sein „Mitternachtssüppchen“ zierte. – Und ich hab´s vergessen.