Auf ein Neues: Emstal

„Houston wir haben ein Problem.“ – Nun, von einem Problem zu schreiben, wäre  wohl doch ein wenig übertrieben. „Wir waren nicht ganz dicht.“ Ein wenig Wasser hatte die Stirn, sich in unserem fendtschen Besteckkasten zu tummeln. „Das kann und darf nicht sein.“ Das Papenburger Schöler Team kam, sah und siegte und „der Drops war gelutscht“. Ab sofort liegt das Wohnwagen-Besteck im Trockenen. Wie bereits erwähnt, bot sich der Papenburger-Service-Stopp dazu an, mal wieder im Emstal vorbei zu schauen. Ist ja auch lang genug her, dass wir dort waren. Grob gerechnet mögen es tatsächlich fünf Tage gewesen sein.

Wie gewohnt beginnt es nach dem Überschreiten oder besser, nach dem Überfahren der Papenburger Stadtgrenze, zu regnen. In diesem Jahr gelang es mir bisher nicht ein einziges Mal, Sonnenschein nach Papenburg zu tragen. Doch ich bin hartnäckig. „Liebe Emsländer, Ihr müsst geduldig (mit mir) sein!“

Mit dem frisch gewarteten Weißen Riesen mache ich mich auf den Weg nach Sustrum. Ich überquere die Ems in Steinbild und blicke in die Augen eines jugendlichen Traktorfahres, der, inklusive eines ihm „anhängenden Tandem-Vakuumwagens (Güllewagen)“, ebenso leichtsinnig wie tolldreist, die Kurve schneidet und sich dann doch im letzten Moment dazu entschließen kann, auf seine Fahrbahnseite zurückzukehren. Über so viel (Gottes-)Gnade bin ich sehr glücklich. Ich denke zwei, drei Sekunden darüber nach anzuhalten, auf seine lohnunternehmerische Rückkehr zu warten und ihm den Marsch zu blasen. Ich verzichte darauf. Dennoch: „Das war nicht lustig, mein Lieber!“

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Brücke über die Ems im Zuge der Sustrumer Brinkstraße

Um 12.20 Uhr bin ich in Walchum. Ich rechne: ja, ich werde es schaffen. Einkauf im NP-Markt meines Vertrauens und dennoch pünktlich vor der Mittagsruhe im Emstal ankommen. Ruckzuck sind die unentbehrlichen Artikel für das kommende Wochenende eingekauft. Ja, es soll auch Gemüse dabei gewesen sein. – Hopfen? Noch schnell in die Bäckerei. Laugenbrezel und Brot kaufen. „Natürlich, ich nehme gern die Kundenkarte.“ Nun bin ich nicht nur Walchumer NP-Markt-, sondern auch Bäckerei Ganseforth-„Stammkunde“. Sollte ich nicht auch meinen zweiten Wohnsitz ins Emsland verlegen?

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„Die wilden Schwäne“. Vier der verwandelten Brüder der Prinzessin Elisa (nach Hans Christian Andersen)?

Die Gewissheit, einen Mover zu besitzen, macht mich übermütig. Ich wähle einen Stellplatz, den zu befahren, es der hohen Schule des Rangierens bedarf. Eigentlich. Mit dem Truma Mover ein Kinderspiel. Der Weiße Riese steht in der Waage, Strom- und Gasversorgung sind angeschlossen. Allein die Markise wird sich nicht entfalten. Die Sonne scheint in Strömen. Schnell die Sachen in den Wohnwagen, den Kühlschrank „aufmunitionieren“, den (Radio-)Rundfunkempfang sicherstellen und die Fotoklamotten vorbereiten. Nun, mit Foto wird es heute Nachmittag nicht viel, da ich die Unterwasserkamera im Ammerland gelassen habe. „Luna, komm´, auf „Los“ geht´s los!“ Die freundlichste aller Kleinen Münsterländer tippt sich mit ihrem Vorderlauf an die Stirn. „Jetzt? Ich bin doch kein Seehund!“ – Na gut, dann eben später.

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„In der ganzen Natur ist kein Lehrplatz, lauter Meisterstücke.“ (Johann Peter Hebel)

Jetzt ist es später. Ich wollte schon immer einmal entlang der Ems in Richtung Steinbild laufen. Luna auch. Bereits nach einem knappen Kilometer geben wir auf. „Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt, er hält seine Felder und Wiesen in Stand …“ Ja, so sieht´s hier auch aus! Zwar nicht mit seinen Rößlein, vielmehr mit einem gut 54 Tonnen schweren Bergepanzer „Büffel“ mag hier der Bauer geackert haben. Um nicht komplett im Matsch zu versinken, treten wir den Rückzug an.

Da! Zwei bis drei Sonnenstrahlen finden erfreulicherweise den Weg zur Erde und den direkten Weg nach Sustrum. „Markise ausfahren! Sonnenöl bereitstellen! Mini-Backofen an- und aufheizen!“ „Markise ist ausgefahren!“ Und dann: Regen. „Kommando zurück!“ Das Sonnenöl bleibt in seiner Flasche, der Mini-Backofen im Staufach und die Markise dient ab sofort als Regenschutz. Ich hatte so viel vor. Es gibt ja nichts Schmackhafteres als Laugenbrezel ohne Leberkäse aus dem mobilen Ofen und ohne bayrischen Senf. Aber morgen!

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Auf der Suche nach Raupen, Blattläusen, Käfern, Ameisen, Spinnen und anderen Kleintieren. Ein Buchfink

Wenn sie jetzt noch einmal (zum gefühlten zehnten Male) auf NDR Kultur auch nur im kleinsten Nebensatz erneut und in epischer Breite über die Papstbotschaft „Amoris laetitia“ berichten, bin ich „not amused“, wie „Lisbeth aus Great Britain“ zu sagen pflegt.

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Flügelspannweite bis zu 73 cm und ein Gewicht bis 1,4 Kg: Haubentaucher. Hier auf der Paarungs-/Nahrungssuche

Als „alter“ Fendt Caravaner“, wie mag es wohl dem Fliegenden Holländer (unserem ersten Chateau Home Car Racer 39 Caravan) ergehen, lese ich natürlich auch die Fendt-Caravan-News: „Gardasee – Ein lohnenswertes Reiseziel“. Diesen Artikel finde ich auf Seite 14ff im aktuellen Magazin. Wir wollen erst einmal an den Tegernsee. „Back To The Roots.“ Zurück zu den Wurzeln? Ja, denn weiß-blaues väterliches Blut pulsiert in meinen Adern. Ich spreche zwar nicht „Boarisch“, aber ich mag bayrische Speisen, wenn es nicht gerade „Pichlsteiner“ ist, und bayrisches Bier. Meine Art, die „Wurzeln zu pflegen“. Quer durch die Republik nach München und Rottach-Egern. Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass wir in die bayrische Landeshauptstadt und ins Tegernseer Tal fahren, aber mit dem Fendt schon. Wann? Pfingsten. Und Luna? Die kommt natürlich mit, unsere Kleine „bayrische“ Münsterländerin.

03.00 Uhr. Ein vertrautes Augenpaar fixiert mich. Nein, nicht die beste aller Ehefrauen, „das Lunchen“ lädt mich zu einer Nachtwanderung ein. Ich hatte auch gerade nichts vor. Was auch zu dieser Zeit? – „Millionenmilliarden“ Sterne leuchten am nächtlichen Sustrumer Himmel. „Wenn Du jetzt noch den Mond anheulst, meine Liebe, dann haben auch alle anderen „Emstaler“ etwas von diesem überwältigenden Anblick. – Nein, lass´ es lieber.“ Erst jetzt merke ich, dass es fröstelt. Gut, dass ich nur eine Weste übergeworfen habe, so komme ich in den vollen Gefriergenuss während unseres Besuchs unterm Sternenzelt. In dem Bewusstsein, bis zum Frühstück nicht mehr auf „Betriebstemperatur“ zu kommen, will ich jetzt zurück ins Bett.

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Leider kein Biber, aber eine Biberrate (Nutria)

06.30 Uhr läutet es vom Sustrumer Kirchturm. Ein hellwacher Kleiner Münsterländer erwartet mich bereits. „Zähneputzen? Doch nicht jetzt! Sonnenaufgang über dem Dortmund-Ems-Kanal. Schnapp Deine Kamera und raus!“ Ist es nicht schön, einen aufgeweckten Hund zu besitzen? Ja, ist es, denn sonst hätten wir an diesem Morgen nicht diese besondere Entdeckung gemacht. „Platsch!“ Von der Brücke sehe ich den morgendlichen Schwimmer. Ein Bisam oder eine Nutria? Aber diese Größe und der damit verbundene „Platschfaktor“? Und dieses eigentlich für einen ganz anderen Nager so spezifische Merkmal. Wäre ja schön, einmal einen Biber zu sichten. Nein, war wohl doch nur eine dicke Wasserratte. Die Fotos beweisen es: kein Biber! Aber eine Biberratte oder Nutria. Ist es nicht schön, eine früh aufstehende Luna zu haben?

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Dieses Motiv (Sielgrabenbrücke Sustrum II) habe ich x-mal fotografiert

Frühstück. Lecker Josera und knusprige Mohnbrötchen. Kaffee aus der 2-Tassen-Maschine. Irgendwann werde ich mich an das Trockenfutter gewöhnen. Luna genießt ihre Mohnbrötchen.

Wir schlagen uns in die Felder, beschreiten neue Wege, lassen Sustrum an diesem Morgen rechts liegen und laufen in weitem Bogen um den Ort. Nach zwei Stunden stehen wir wieder am Wohnwagen. Unsere morgendliche Ausbeute: vier Hasen, vier Rehe, ein Fasan, sieben Kiebitze und ein neurotischer Hofhund. Sein Glück: Luna hat bereits gefrühstückt.

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Darf auf keiner Rasenfläche fehlen: das Gänseblümchen oder für die schweizer Eidgenossen, das „Margritli“. – „Wer hat´s erfunden?“

Samstagnachmittag. Die beste aller Ehefrauen trifft nach einer arbeitsreichen Woche in Sustrum ein. Eine muss ja arbeiten, während die beiden anderen durch die norddeutsche Tiefebene tingeln. Oh, vor lauter wichtiger Termine habe ich es nicht geschafft, den Weißen Riesen auf Vordermann zu bringen. Das Gespräch über die Vor- und Nachteile bestimmter Mulchverfahren verschiedener Aufsitzrasenmäher mit Herrn Sandker muss jäh unterbrochen werden. „Mann kommt auch zu nichts. Stress pur, so ein Wochenendausflug.“

Eine Markise möchte sich des nachts einrollen und sich von ihrer beschirmenden Tätigkeit erholen. Sollte man diesen Wunsch nicht berücksichtigen, so macht sie sich bemerkbar. Nicht sofort, denn der nachlässige Wohnwagenlenker soll ja etwas lernen. Die Markise wartet auf ein laues Lüftchen, das sich zu nachtschlafender Zeit auf den Weg gemacht hat. Sie beginnt sich im Wind zu wiegen und überträgt diese sanften Schwingungen auf den Wohnwagen. Dieser leitet sie unmittelbar an die Ohren des vergesslichen Campers. Ein leichtes Schlagen des Tuches, ein verstohlenes Knirschen des Gestänges. Nicht laut, aber stetig und nervig. „Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar; der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.“ („Das Abendlied“, ein Gedicht von Matthias Claudius) In unserem Fall heißt es dann: … und aus dem Bette steiget ein schlaftrunkener Wohnwagenmobilist. Wunderbar. – Dieser rollt dann verspätet und so geräuschlos wie nur irgend möglich die Markise ein.

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Mit Luna als „hellwacher“ Reisebegleiterin im Gepäck sind solch frühzeitige Aufnahmen „null Problemo“

Luna hat längst ihre Runde gedreht, gibt aber keine Ruhe. „Komm´, die Nutria. Lass´ uns noch mal nachsehen.“ Kurz vor unserem gestrigen gemeinsamen Treffpunkt verharrt das Frollein und legt den „münsterländischen Schleichgang“ ein. Und richtig. Da ist sie wieder. Sie lässt uns einige Schritte näher kommen und schlägt sich dann in die Uferböschung.

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Durchschnittliche Sprungweite in etwa vier Meter: Rehbock

So, dies soll nun nicht die unendliche Geschichte werden. Zwei Übernachtungen im „Zweistromland“ und ich schreibe, als ginge es darum, Margaret Mitchell´s „Vom Winde verweht“ an Seitenzahlen zu schlagen. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass der Mini-Backofen seine Premiere glänzend bestand. Der gebackene Leberkäse schmeckte sehr lecker. Auch ohne Laugenbretzel, die bereits am ersten verregneten Abend „dran glauben musste“ . Die leichten „Leckagen“, die am Freitag in Papenburg besichtigt wurden, sind behoben. Messer, Gabel, Schere, Licht (Feuerzeug) leben von nun an in einem trockenen Besteckkasten. Bald brechen wir unsere Zelte ab und starten durch ins Ammerland. Doch wir werden zurückkehren, denn nicht nur, dass es uns im Emstal gefällt, wir haben schließlich Kundenkarten!

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„Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!“(Frei nach Paulchen Panther („Der rosarote Panther“))