… schwächer trifft der Sonnenstrahl“
(aus: Herbst, Detlev von Liliencron)

Seit einigen Tagen scheint die Sonne in Strömen. Nicht gerade die richtige Witterung, um die Campingsaison im Emstal ausklingen zu lassen. Auf dem Weg nach Sustrum schalten wir die beiden Außenventilatoren ein, um die plätschernden Sonnenstrahlen von der Windschutzscheibe zu wischen. Wir kommen gut voran, denn wir reisen ohne Big B. am Haken. Er steht noch an der Ems und hat die vergangenen vier Tage ohne uns hoffentlich gut verkraftet. – Er kann ja so sensibel sein.

Eine fünf Kilometer lange und einspurig geführte Baustelle vor dem Emstunnel kann uns nicht erschrecken. Im Gegenteil: Den Abschnitt der BAB 28/31 zwischen Leer-Ost und dem Emstunnel einmal ohne Baustelle zu erleben, würde uns völlig aus der Bahn werfen. Wir kennen diese Strecke ohne Fahrbahnverengung, Geschwindigkeitsbegrenzung und Baustellenfahrzeuge gar nicht und dächten, wir hätten uns verirrt.

In Walchum ergänzen wir unsere Vorräte im NP-Markt und starten durch ins Zweistromland zwischen Ems und Dortmund-Ems-Kanal (DEK). Das Emstal schließt an diesem Wochenende seine Pforten. Wir wollen hier mit den letzten Gästen noch einmal ein paar ruhige Tage verbringen und freuen uns, dass wir Big B., der seit dem vergangenen Wochenende hier auf uns wartet, nur aufheizen müssen.

Wir zupfen ein wenig am Vorzelt, richten eine Leine hier, einen Hering dort und sind angekommen. Luna versteht es nicht so recht, dass wir bei strömenden Regen nicht gleich zur großen Entdeckungsrunde aufbrechen wollen, nimmt dies aber gelassen hin, bis die letzten Tropfen auf das Dach unseres Caravans „dröppeln“. – „So, ich wäre dann soweit.“ In freudiger Erwartung steht sie an der Tür und drängt uns ins Freie.

Wir entscheiden uns für den Gang „Ems-DEK-Schleuse-Brinkstraße-Emstal“. Die Strecke ist sehr gut zu bewältigen, bei erneut einsetzendem Regen wären wir durch die Bäume entlang des Kanals und später der Brinkstraße geschützt und außerdem findet das Frollein hier ausreichend Gelegenheit, die Uferzone des Kanals auf neue Anlieger zu überprüfen. Ein Kormoran ist von dieser statistischen Ergebung nicht angetan und entzieht sich seiner Registrierung durch Flucht. Die Enten sehen dem Ganzen inzwischen gelassen entgegen, schwimmen in Richtung Fahrrinne und quaken. Ich meine darin ein höhnisches Gekicher zu erkennen, aber das würde ich Luna niemals verraten.

Das Wetter lässt es nicht zu, dass wir mit den Fahrrädern auf Tour gehen. Da muss dann eben Darth Vader, unser Zugpferd, herhalten. Wir fahren nach Dörpen, Lathen, Walchum und ein wenig in Richtung Haren/Ems. Die stetig zunehmenden Corona-Infektionsfälle lassen uns aber von einem Bad in der Menge Abstand nehmen. Nur in Lathen können wir es uns nicht verkneifen, die Eisdiele Venezia und den örtlichen Baumarkt zu besuchen. Der Heim- und Handwerkerparkplatz ist um 13.30 Uhr sehr übersichtlich besetzt. Also, hinein ins Paradies der Bastler und der, die sich für solch eine routinierte, sach- und fachgerechte Koryphäe halten. Ich gehe ja nur hinein, weil mich die vormontierten Badmöbel zur bequemen Selbstinstallation interessieren. Für eben diesen von Eigeninitiative geleiteten Einbau würde sich dann bestimmt auch in meinem Fall ein qualifizierter Handwerker finden lassen, der die Selbstinstallation für mich erledigt.

Die Beste von allen hat längst die Haushaltswaren im Visier, während ich noch nicht einmal die Metabo Kreis-, Kapp-, Gehrungs- und Säbelsägenabteilung erkundet habe. Geräte, die in keinem Haushalt fehlen dürfen. Angenommen, man möchte kurzentschlossen einen Steg bauen und besitzt keine Kapp- und Gehrungssäge. Ja, wie in aller Welt soll das funktionieren? Gar nicht! Zum Glück nennen wir keinen See unser Eigen, so dass sich die Frage nach einer privaten Landungsbrücke auch nicht stellt. – Ich flaniere daraufhin weiter zur Haushaltswarenabteilung. – „Oh, Flaschenöffner!“

Samstag. 16.40 Uhr. Es regnet seit 30 Minuten nicht mehr. Sollten wir tatsächlich das Vorzelt am morgigen Sonntagnachmittag trocken verpacken können? Eine tollkühne Vermutung!

Wir sind mit die letzten Gäste im Emstal. Die Schranke bleibt seit heute geschlossen. Auf dem ohnehin sehr ruhigen Platz breitet sich eine Stille aus, die jetzt nur durch die schnatternden Enten auf dem alten Seitenarm der Ems, dem Klopfen der Grün- und Buntspechte und den immer wieder einmal über den Platz rauschenden Wildgänsen unterbrochen wird. Eine Ringeltaube, unsere größte heimische Taube, kann dies nicht mehr erleben, denn sie wurde am frühen Morgen von einem Bussard geschlagen. Luna ist sofort zur Stelle und untersucht den „Unfallort“. Wir kommen zu der Entscheidung, dass es sich um die Taube handeln muss, die das Frollein schon gestern entdeckte und die bereits zu diesem Zeitpunkt körperlich sehr geschwächt auf uns wirkte.

Luna genießt die „freie Bahn“ im Emstal. Kaum sind wir von einem Rundgang zurück, sind ihre Pfoten gereinigt und das Frollein wieder aufgehübscht, steht sie auch schon an der Tür und scheint zu sagen: „So, genug ausgeruht. Wir können dann ja wieder aufbrechen.“ Da hilft dann nur das „Übersehen“ ihrer nun folgenden schauspielreifen Vorstellung: Anstoßen mit der Schnauze, ein wenig Quengeln, den Kopf auf das Knie gelegt und dann der schon so oft erwähnte Kleiner-Münsterländer-Elend-Leid-und-Gram-Verzweiflungs-Blick. Hilft das alles nicht, dann lässt sie sich „Rumms!“ zu Boden fallen und macht sich mitten im Wohnwagen breit. – „Das habt Ihr nun davon!“

12.41 Uhr. Keiner weiß, woher der Himmel das Wasser nimmt, das er uns augenblicklich wieder einmal schickt. Eigentlich wollen wir längst unsere Zelte abbrechen, aber unter diesen meteorologischen Widrigkeiten fällt es uns nicht schwer, einen und gern auch mehrere Gründe zu finden, warum wir dies noch nicht machen. Ob wir nun alles nass oder triefend nass verpacken, ist vollkommen egal. Wir werden es nicht verhindern können. Aber dass wir selbst dabei auch noch „baden gehen“, wollen wir gern vermeiden.

Und dann ist es so weit: Der Regen setzt aus. Sogar diesem hellen Licht am Himmel, früher nannten wir es „Sonne“, gelingt es, ein wenig „Herbstzauber“ auf dem Platz zu verbreiten. Ungeachtet der nun sichtbaren intensiven Blattverfärbung an den Bäumen und Sträuchern, stürzen wir aus dem Caravan. Vorzelt, Vorzeltteppich, die Isabellas (Klappstühle), Tisch und dies & das werden gefaltet, geklappt und verstaut. Wir sind fertig! Ja, das Zubehör ist auch verpackt.

„Alles hat ein Ende.“ Nein, nun folgt nicht: „nur die Wurst hat zwei“. – Die Saison 2020 ist für uns beendet, aber wir freuen uns schon heute auf den Neustart in 2021. – „Bis dahin! Man sieht sich!“