Sturmtief Sabine braust noch immer um unser Haus und durch die norddeutsche Tiefebene. Das Frollein und ich wagen es und stemmen uns ihr entgegen. Kaum da wir die Tür hinter uns schließen, stürmt sie auf uns zu. Ja, ihre Sturmböen schwächen sich zwar gerade in weiten Teilen Deutschlands ab, doch die Gefahr ist noch nicht gebannt. Frohlockend und neuen Schlagzeilen ungeduldig entgegenfiebernd, verkündet eine verzückte Presse: „Im Laufe der Woche nehmen die Windstärken wieder zu. Bis zum Wochenende steht durch einen sogenannten Jetstream bereits die nächste Sturmfront an.“

„Du?“, das Frollein blickt mich an und ich weiß genau, was nun folgt. „A priori, also aus den realen Ursachen erkennend, wissen wir doch, dass unser heutiger Spaziergang von der sehr stürmischen Sabine begleitet werden wird. Warum, ich erkenne das Wirken, also die Wirkungen der stürmischen Dame, lassen wir uns a posteriori darauf ein?“ – Oh, sie hat wieder Aristoteles gelesen! Wenn auch Leibnitz noch an diesem Gedanken der Erkenntnisse aus den realen Ursachen und aus den Wirkungen festhielt, so ist es wohl an der Zeit, ihr auch Christian Wolff und dessen Philosophie näher zu bringen. – So sind sie, die kundig-belesenen Kleinen Münsterländer. – „Betrachten wir es aus der Sicht Immanuel Kants, liebe Luna: Die Apriorität als ein rein erkenntnistheoretisches Merkmal. Deine Erwägung, das Haus heute möglichenfalls nicht zu verlassen, ist damit abgelehnt.“ Leicht widerwillig trottet sie vor mir her. Doch es wird noch etwas kommen. Ich bin mir da sehr sicher.

Wir laufen über den Fußgänger-/Radweg vom Heckenweg in den Hörner Esch, verlassen diesen und wollen ursprünglich den Hörner Diek über die Straße Am Brinkacker erreichen. Schon von weitem entdecken wir dort die Karawane der frühmorgendlichen Gassigeher*Innen und machen uns in Richtung Kirchweg aus dem Staub. Sabine begleitet uns mit brausenden Böen. Sie kann es nicht lassen.

Wir entdecken die ersten umgefallenen Zaunelemente sorglos-nachlässig installierter Sichtschutzzäune. Ein Raub der Sabin(erinn)e(n). Hier und da liegen morsche Äste aus den Baumkronen der Eichen auf dem Weg. Doch für einen Sturm dieser Güte sind dies eigentlich keine „Besonderen Vorkommnisse“, eher natürliche Erscheinungen.

Luna blickt mich an: „War es nicht eine fixe Idee, eine festgewurzelte falsche Idee, bei diesem Wetter den Gang durch die Gemeinde zu wagen?“ „Luna, mache Dich von herkömmlichen Ansichten, Meinungen und Betrachtungen frei. Zitat. Lerne, dich freuen! Und glaube mir, wahre Freude ist eine ernste Sache, wahre Freude kommt aus gutem Gewissen, aus edlen Entschlüssen (Seneca) Zitatende. Freudigkeit ist eine der Freude verwandte ruhige, gleichmäßige Gemütsbestimmung, „die Mutter aller Tugenden“ (Bruder Martin im Götz von Berlichingen).“ Ich merke, wie mir die Worte fehlen und ich mich fremder Erkenntnisse bedienen muss. Das Frollein gewinnt unseren Meinungsaustausch an diesem Morgen klar nach Punkten. – Kein Wunder! Mich quält eine „katastrophale Männererkältung“.